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Archiv-Artikel

MIT FUP IN QUARANTÄNE Frei laufende Viren

Der Text ist leicht und geht automatisch von den Lippen

Draußen laufen gleich drei Viren frei herum. Da bleiben wir besser in der Wohnung. Und außerdem haben wir schon ein Virus. Den hat Fup mit nach Hause gebracht. Und der muss natürlich in Quarantäne. Damit das Virus nicht noch Zulauf kriegt oder sich mit einem anderen Virus kreuzt.

Ich bin also allein zu Hause mit Fup, dem man so gar nicht anmerkt, dass er ein Virus hat. Der Erzieher der Kita wünscht mir starke Nerven. Das macht mich skeptisch. Erst mal frühstücken. Fup will Toastbrot. Ich sage, wir haben kein Toastbrot, nur ein Sonnenblumenkernbrot. Fup sagt: „Ich will Toastbrot.“ Ich sage: „Wie haben kein Toastbrot.“ – „Ich will aber Toastbrot“, sagt Fup wieder. Der Dialog zieht sich eine halbe Stunde hin. In der Zwischenzeit sitzt Fup unter dem Tisch, und ich kann mir in aller Ruhe einen Kaffee machen und ein Brot mit „Malle“ essen, wie Fup sagen würde, wenn er nicht mit „Ich will aber Toastbrot“ beschäftigt wäre. Ich bin geübt in solchen Dialogen. Der Text ist leicht zu merken und geht ganz automatisch von den Lippen, man muss sich nichts merken, und die Argumentation erfordert keine große Konzentration.

Dann spielen wir Einkaufen. Fup hat eine aus einem Karton bestehende Einkaufstüte besorgt. Er zerrupft eine Rolle Klopapier, zerknüllt eine Lage und sagt dann, worum es sich handelt. „Das ist eine Gurke, du alte Gurke“, sagt er zu mir. Ich sage: „Jetzt mal langsam.“ – „Das ist eine Mohrrübe“, sagt er. „Und noch eine Mohrrübe.“ Ich sage „Okay“ und lege die Klopapierknäuel in die Pappschachtel.

Dann schnappt sich Fup das Kabel eines Ladegeräts, befestigt es am Griff eines Wäschekorbs mit schmutziger Wäsche und zieht den Wäschekorb durch die Wohnung hinter sich her. „Was soll das denn werden?“, frage ich. „Das ist ein schwieriges Unterfangen“, sagt Fup. Langsam frage ich mich, was das eigentlich für ein Virus ist. KLAUS BITTERMANN