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: Ironie als Höflichkeitsform

„Die Verschwörung – Verrat auf höchster Ebene“ (Großbritannien 2011, Regie: David Hare), ab rund 13 Euro im Handel erhältlich

Wenn die steife Oberlippe von John Worricker (Bill Nighy) ins Zittern gerät, dann ist der Premierminister in ernster Gefahr. Worricker ist ein höherer Geheimdienstmitarbeiter, dem sein alter Studienfreund und Boss Benedict Baron (Michael Gambon) gerade ein Geheimdossier in die Hand gedrückt hat. Es geht um Folterstätten der USA und das Wissen der Briten darum. Klare Sache: „Die Verschwörung – Verrat auf höchster Ebene“ ist ein Film, der sich noch auf die Bush-Blair-Ära bezieht.

Nicht so klar: Der deutsche Titel gibt keinen Hinweis darauf, wie genau, subtil und im besten Sinn britisch David Hares Werk ist. „Page Eight“ heißt der Film im Original und benennt die Seite des Dossiers, auf der sich das explosive Detail findet, das die Regierung gefährdet.

Seit gut zwei Jahrzehnten hat der eminente Dramatiker und nicht immer so eminente Drehbuchautor („Der Vorleser“) David Hare nicht mehr bei einem Film Regie geführt. Sein kleines Meisterwerk „Wetherby“ von 1985 ist fast vergessen. Bei diesem Spionagethriller hat ihn der Ehrgeiz aber noch mal gepackt. Er schrieb das Buch, Kinogelder waren nicht in Sicht, immerhin die BBC war behilflich, und Stars wie Rachel Weisz, Judy Davis und Ralph Fiennes ließen sich nicht lange bitten. Nun sitzen sie in kühler Manier in Bildern herum, die auf altmodische Weise bestechend fotografiert sind, und sprechen 1-A-Dialoge, wie sie so fast nur David Hare schreiben kann.

Der Plot als solcher ist nicht sehr originell. Neben der Sache mit dem Dossier spielt John Worrickers sehr attraktive Nachbarin Nancy Pierpan eine wichtige, wenngleich zunächst undurchsichtige Rolle. Sie ist in Damaskus geboren, vor zwei Jahren ist ihr Bruder von den Israelis aus dem Weg geräumt worden. Ein schöner Link ins Künstlermilieu ist Worrickers Tochter, die ein Kind von einem Konzeptkünstler erwartet. Alles verwickelt sich langsam, sehr viel mehr im Le-Carré- als im James-Bond-Stil und ohne sich zu sehr zu verwirren. Auf Action wartet, wer darauf wartet, vergeblich. Es wird schon auch gestorben, aber nur eines natürlichen Todes.

Eine gewisse, wenngleich stets moderate Bedrohlichkeit liegt über dem Ganzen; der Thrill, den der Film fraglos hat, konzentriert sich aber doch auf die Oberlippe von Bill Nighy. Die kann sich kräuseln, wenn Worricker eine seiner vielen ironischen Bemerkungen macht. Wobei Ironie hier nichts mit Mangel an Ernsthaftigkeit zu tun hat. Sie ist vielmehr eine Höflichkeitsform: Es geht darum, Mitmensch und Umwelt nicht zu nah auf die Pelle zu rücken.

Wenn dann im weiteren Verlauf aus politischen Gründen, und auch aus privaten, der ganze innere Worricker in Aufruhr gerät, zuckt eventuell auch mal das Auge. Mehr aber nicht. Was Nighy hier abliefert, ist Understatement der elaboriertesten Art, Anschauungsmaterial für alle, die den Minimalismus von Affekt und Ausdruck studieren.

„Die Verschwörung“ ist ein Film, dem die Form in gewisser Weise über den politischen Inhalt geht. Wobei David Hare vielleicht andersherum argumentieren würde. Er hat für seinen Spion, der aus dem Kalten Krieg kam und nun in der Post-9/11-Zeit in Richtung Ruhestand geht, eine Haltung gefunden. Alles ist in den Grundfesten erschüttert. Man merkt es aber nur, wenn man genau hinsieht. Zum genauen Hinsehen und Hinhören lädt der Film ein, und dem, der Sachen schätzt, die nicht mit der Tür ins Haus fallen, ist er ein großes Vergnügen. EKKEHARD KNÖRER