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Archiv-Artikel

JOSEF WINKLER ÜBER WORTKLAUBEREIOLG? OMG! WENN DER BLUTFLUSS ZUM HERZEN STOCKT, SOLLTEN NICHT NUR WAGNERIANER MAL ÜBER MEDIZINISCHE STRÜMPFE NACHDENKEN Klassik und Kompression

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Freitag Jürn Kruse Fernsehen

Montag Martin Reichert Back on the Scene

Dienstag Deniz Yücel Besser

Mittwoch Matthias Lohre Männer

Donnerstag Ambros Waibel Blicke

Es ist ja müßig, wenn nicht gar unfair, wenn nicht gar ein bisschen *gähn*, sich über kurios formulierte Pressemitteilungen lustig zu machen. Aber erstens bin ich dieser Ansicht gar nicht. Ha! Und zweitens hab ich gestern so was Hübsches geschickt gekriegt, das muss ich Ihnen einfach zeigen, gegen alle ungeschriebenen Kolumnistenkonventionen.

„Sehr geehrte Damen und Herren“, schreibt die „PR-Assistenz Unternehmenskommunikation Medical“ der Firma fussi (Name geändert). „2013 begeht Bayreuth ein großes Jubiläum – Anlass ist der 200. Geburtstag und der 130. Todestag des Meisters’ Richard Wagner. Alle Kultur- und Musikinteressierten […] erwartet ein Jubiläumsjahr mit vielen Veranstaltungen und einem großen Rahmenprogramm. fussi ist Hersteller von medizinischen Kompressionsstrümpfen und Partner des Wagnerjahres 2013. Die Themen Klassik und Kompression ergänzen sich hervorragend: Im Bayreuther Festspielhaus beginnt die Oper Tannhäuser um 16 Uhr und endet gegen 22 Uhr – langes Sitzen kann die Venenfunktion hemmen. Das Blut kann in den Beinen versacken, sie können müde und schwer werden und auch anschwellen. Strümpfe mit Kompression fördern die Venentätigkeit und bringen den Blutfluss zum Herzen in Schwung, die Beine können sich entspannen …“ Etc.pp.

Man hört ja in der letzten Zeit viel von der Krise der Werber, jenem neuerdings in Graumäusigkeit versinkenden, einst so schillernden Berufsstand. Aber wenn man solche geschliffenen Texte liest, sieht man sie noch vor sich, in altem Glanz und Saft, die aalglatt-abgefeimten Don-Draper-Typen, die letzten ihrer Art? „Schreiben Sie: ‚Die Themen Klassik und Kompression ergänzen sich hervorragend!‘ Bada-bing! Ich bin ein Genie!“ Zur Belohnung noch eine Line Koks, nach Diktat verreist zum Martinisaufen auf die Seychellen.

Ja, genau. Fast alles andere ist nicht so lustig. Wir hier in München, die wir guten Willens sind, trauen uns z. B. seit ein paar Tagen fast gar nicht mehr, uns zu bewegen, weil wir uns so schämen für unser Oberlandesgericht. Ja, schon klar, nach allem Dafürhalten wäre es da mal allerhöchste Zeit für ein Ohrwaschlrennen. Doch halt: Die Justiz ist unabhängig und darf daher so viel Scheiße bauen, wie sie für richtig hält! Ja, es wäre nach den Prinzipien der Gewaltenteilung nicht einmal erlaubt, so einen brillanten Juristen wie den Vorsitzenden Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, in eine Rakete zu tun und auf den Uranus zu schießen, obwohl das eine naheliegende Lösung wäre. Aber mit naheliegenden Lösungen hat’s ja auch das OLG nicht so.

Da man dieser Tage so viel von der „Überforderung“ des Gerichts hört, hier ein Vorschlag zur Güte: Eventuell wäre es das Beste, das OLG München verhandelt ein paar Jahrzehnte lang nur Verkehrsdelikte, ruht sich ansonsten mal richtig aus und überlässt die wichtigen Prozesse, bei denen auch eine gewisse menschlich-soziale Kompetenz gefragt ist, den entwickelten Bundesländern. Oder – Minimallösung – halt ein Satz Kompressionsstrümpfe für die Richter: Die bringen den Blutfluss zum Herzen in Schwung.