Warten bei der Bahn : Wo sind die Tieropfer?
Es ist kalt in Deutschland. Und es schneit. Und das mitten im Winter! Wer hätte das gedacht? Die Bahn jedenfalls nicht. „Aufgrund von witterungsbedingten Störungen verzögert sich die Ankunft des ICE 123 um weitere 10 Minuten. Wir bitten um Entschuldigung!“ Mein Reisebegleiter teilt mit, er wolle die Zugbegleiter, die man uns zum solidarischen Frieren auf den Bahnsteig gestellt hat, am liebsten vor das Objekt ihrer Begleitung schubsen. „Untersteh dich!“, presse ich zwischen klappernden Zähnen hervor, „dann kommen wir hier nie weg!“
Außerdem könnten die ja auch nichts dafür. Und immerhin entschuldigen sie sich schon. Vor zwanzig Minuten haben sie noch um Verständnis gebeten. Und noch vor ein paar Jahren haben sie sich erdreistet, unser Verständnis vorauszusetzen und dafür zu danken! Ich will gar nicht wissen, wie viele „Unfälle“ ähnlich dem, den mein Begleiter gerade kurz davor ist zu verursachen, nötig waren, um die Umformulierung herbeizuführen. Ich überlege, wie die Steigerung der Entschuldigung lauten könnte. „Wir bereuen unsere Sünden und sind Ihrer nicht mehr würdig. Wir verstehen, wenn sie unsere Fahrkartenautomaten treten und unser Personal beschimpfen. Wir haben es verdient.“ Vielleicht könnten Tieropfer helfen? Dann könnte man sich am Feuer wärmen.
Seit einer geschlagenen Dreiviertelstunde stehen wir an Gleis 13 des Berliner Hauptbahnhofs und warten auf den Zug, der vor 50 Minuten am Ostbahnhof abgefahren sein sollte. Man hätte die Strecke laufen können, in der Zeit, bei dem Wetter, mit Gehbehinderung. Vielleicht sollten wir im nächsten September doch mal an sämtliche Verkehrsbetriebe schreiben, dass es in den nächsten Monaten unter Umständen sein könnte, dass eine Schneeflocke auf ihre Schienen fällt. Andererseits, die Berliner S-Bahn fährt auch im Sommer nicht. LEA STREISAND