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Archiv-Artikel

Der Getriebene

Mittelfeld: Christoph Daum. Der Paria, der der Retter sein will

Der Deutsche Fußball-Bund wird nicht lang überlegen müssen, wer der richtige Mann ist für den Posten des neuen Bundestrainers. Christoph Daum hat ja ohnehin mächtige Fürsprecher im DFB, allen voran Gerhard Mayer-Vorfelder, der eine Schwäche für Genussmittel mit dem designierten Chefcoach teilt. Auch sonst passt alles: Daum kann großartig motivieren. Manchmal pinnt er Geldscheine an die Wand – und die Fußballer rennen dann schneller. So was kann Daum. Oder er hält Reden. Die Spieler wissen danach nicht mehr, ob sie Männlein oder Weiblein sind. Oder er lässt seine Leute barfuß über heiße Kohlen laufen.

Daum wartet seit Jahren auf diesen Posten. In der Türkei geht er (noch) dem Tagesgeschäft nach, immer mit einem Blick auf die Lage in Deutschland. Gegangen als Paria, zurückgekehrt als Retter, dieses Szenario schwebt Daum vor. Er wollte ihn ja schon einmal haben, den Posten. Eine unschöne Geschichte kam seinerzeit dazwischen. Daum geht völlig souverän damit um. „Die Vergangenheit ist Schnee von gestern“, antwortet er auf entsprechende Nachfragen.

Deutschland braucht Daum, weil das Land nach all dem Hype in ein paar Monaten an einer Depression leiden wird, einer schweren Form von fußballbedingter Niedergeschlagenheit. Wer glaubt schon ernsthaft daran, dass Jürgen Klinsmanns Männer bis ins Finale vorstoßen und dort Brasilien schlagen werden? Daum wird zum Nutznießer des uneingelösten Großversprechens.

„Weg mit Chaos-Klinsi“ und „Wir haben die Nase voll von Jammer-Jürgen“, so oder ähnlich werden die Schlagzeilen der Boulevard-Presse lauten, mit denen sie den visionären Schwaben aus dem Land jagt. Mit Daum, das ist sicher, wird der Aufschwung gelingen – selbst wenn Michael Ballack seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft verkünden sollte und Uli Hoeneß mit einem Bayern-Boykott der DFB-Auswahl droht. In der Weltelf wäre er so etwas wie der Spielertrainer.

Daum, der grundehrliche Macher, baut keine Luftschlösser, nein, er steht für bodenständige Arbeit. Klaren Blicks wird er das Team „von Grund auf neu aufbauen“. Die Schnösel fliegen raus, die Mentaltrainer und Fitnessberater auch.

Der neue Bundestrainer bevorzugt „Typen und Malocher“, also Leute, die auch mal die Ärmel hochkrempeln können und das Tackling nicht scheuen. So wird aus Fußballdeutschland wieder etwas. MARKUS VÖLKER