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Archiv-Artikel

Fußball gucken, Bier trinken und den Bürokratieabbau bewundern

Du bist NRW! Das Weltmeisterschaftsjahr startet an Rhein und Ruhr mit der Imagekampagne „Land der Ideen“. Mit Werbung und Patriotismus hat das viel, mit Fußball wenig zu tun

Der Hype beginnt in Altena. Morgen eröffnet die 20.000-Einwohner-Stadt im Sauerland das Fußball-Weltmeisterschaftsjahr für Nordrhein-Westfalen. Auf der Altenaer Burg werden Schauspielgruppen die Besucher empfangen und sie mitnehmen in die Zeit um 1912, als dort die erste Jugendherberge Deutschlands eröffnet wurde. Es wird eine Führung durch die Burg geben, und nachher werden die Altenaer sagen können: Wir sind ein Teil der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gewesen.

WM? Im Januar? In Altena? Die Museen des Märkischen Kreises haben sich erfolgreich beworben bei der Kampagne „Land der Ideen“, mit der die Bundesregierung und der Bund der Industrie Deutschland im WM-Jahr als aufstrebendes Wachstumsland präsentieren wollen. Das Prinzip: An 365 Tagen bekommen 365 Orte mediale Aufmerksamkeit garantiert, um sich als Touristenziel, Wirtschaftsstandort oder innovatives Forschungszentrum darzustellen.

„Wir können noch nicht einschätzen, wie viele Menschen tatsächlich zu uns kommen“, sagt Bernadette Lange, Sprecherin der Museen des Märkischen Kreises. Mit dem Drahtmuseum ist Altena im Sommer sogar noch ein zweites Mal als Ideenort vertreten. „Uns als WM-Quartier für Nationalteams anzubieten, wäre zu teuer gewesen“, sagt Uwe Krischer von der städtischen Wirtschaftsförderung. Ein Tag der Offenen Tür koste hingegen fast nichts und bringe trotzdem einen großen Imagegewinn. „Die Konkurrenz war sehr groß. Es ist gut, dass wir dabei sind.“

Image, Optimismus, Patriotismus – darum geht es im „Land der Ideen“. In „allen Lebensbereichen Mut, Kreativität und Lust auf Neues, ohne Altes auszugrenzen“, wünscht Schirmherr und Bundespräsident Horst Köhler seinem Deutschland im WM-Jahr. Da passt es gut, dass der Altenaer CDU-Bürgermeister Andreas Hollstein auch zum vergangenen Jahr fast nur Positives einfällt: „Mit Aldi kehrte ein Teil der alten Lebendigkeit in die Bahnhofsstraße zurück“, verkündet er in seiner Neujahrsansprache. Er hat verstanden.

Das Land der Ideen soll zur Leistungsschau der Deutschland AG werden. Als Sponsoren fungieren unter anderem die Deutsche Bank, die Lufthansa, die Energieriesen RWE und Eon, natürlich auch die Telekom. Die Großunternehmen empfehlen dem langfristig planenden Ganzjahres-WM-Touristen die Christmette im Kölner Dom, das Karnevalsmuseum, eine Vorführung des Wahl-o-Maten in der Bonner Bundeszentrale für politische Bildung und einen Vortrag über den Bürokratieabbau in Ostwestfalen.

Vor allem aber gilt es, innovative Produkte und Firmen am internationalen Markt zu positionieren. Auf der Homepage der Initiative werden Aspirin, der Transrapid und Daimler Benz als erfolgreiche deutsche Ideen gelobt. Gesondert vorgestellt werden im WM-Jahr dazu Druckknöpfe aus Stolberg, Waschmaschinen aus Gütersloh und Rußpartikelfilter aus Menden.

Mit Fußball hat das alles wenig zu tun – das geben auch die zu, die mit von der Partie sind. „Ich bin kein Fan. Aber der Fußball wird ohnehin ausgeschlachtet, da ist es mir egal, auf welchem Weg ich unser gutes Projekt bekannt mache“, sagt Dietrich Stein. Der Bauingenieur hat als Professor an der Ruhr-Universität Bochum ein unterirdisches Transportsystem für Fracht entwickelt und hofft seit Jahren darauf, dass es endlich unter dem Ruhrgebiet angewandt werden kann.

Am ersten Dezember will Stein seinen „Cargocap“ auf einer Teststrecke präsentieren. „Wir Deutschen sind oft noch zu zaghaft“, sagt der Erfinder. Sein Projekt kann die Publicity durch die WM-Kampagne gebrauchen. „Technisch sind wir so weit, die Politik muss es nur wollen“, sagt Stein. Deshalb fände er es „am schönsten, wenn zur Vorstellung auch die Politiker kämen.“ KLAUS JANSEN