: Mach ein Foto, sonst ist das nie passiert
DESIGN Die Ausstellung „Postdigital ist besser“ zeigt Arbeiten, die das Zusammenspiel von Analog und Digital untersuchen
Der Titel der Gruppenausstellung „Postdigital ist besser“ soll nicht als Statement verstanden werden, sagen Franziska Morlok und Martin Conrads. Die beiden sind DozentInnen im Studiengang Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste Berlin und haben die Arbeitspräsentation ihrer Studierenden unter diesem Motto initiiert. Der Titel sei vielmehr eine augenzwinkernde Anspielung auf das erste Album der Band Tocotronic, „Digital ist besser“, das bis heute als ein Meilenstein in der deutschen Popgeschichte gilt. 1995 erschien es – als die digitalen Medien gerade im Begriff waren, die Welt im Sturm zu erobern.
Nun, fast zwanzig Jahre später, meinen die einen, die digitale Revolution sei gerade erst dabei richtig anzufangen. Laut anderer Stimmen aber ist sie schon längst vorbei: Digitale Technologien und Medien gehören zum Alltag, daran ist nichts Neues, Aufregendes mehr. Demnach befänden wir uns heute im postdigitalen Zeitalter, in dem es nun darum gehen müsse, die Auswirkungen der Computerära zu untersuchen.
Die Ausstellung, die sich genau das vornimmt, wurde am letzten Freitag mit einer Diskussion eröffnet. Grafikdesigner Danny Aldred, dessen Arbeiten die sich wandelnde Bedeutung von Büchern im 21. Jahrhundert erkunden, Kristoffer Gansing, Kurator des Transmediale-Festivals für Medienkunst und digitale Kultur, und der Medientheoretiker Siegfried Zielinski trafen aufeinander.
Trotz der prominenten Podiumsbesetzung kam die Diskussion aber ein wenig zu kurz. Große Themen wurden angerissen, vom neuen Aufschwung der DIY-Bewegung, über New Aesthetic bis hin zum postdigitalen Print, allerdings wurde kaum ein Gedanke zu Ende formuliert. Dafür war die Zeit viel zu knapp – und vielleicht ist sie auch noch nicht reif dafür. So bleiben insbesondere Zielinskis Worte in Erinnerung: „Was auf uns zukommt, ist unklar.“ Das, meint Zielinski hoffnungsfroh, bedeute Freiheit: Es könnten neuartige Gesellschafts- und Kooperationsformen entstehen, ohne dass die eigene Privatsphäre eingebüßt werden müsse. Eine Rückkehr zum Analogen sei jedenfalls albern.
Von Nostalgie ist auch in der Ausstellung nichts zu spüren. Vielmehr umarmen die Studierenden die Technologien, mit denen sie aufgewachsen sind, und lassen sich auf ein Zusammenspiel zwischen analogen und digitalen Medien ein. Die gegenseitigen Abhängigkeiten und Bereicherungen, die jeweiligen Vor- und Nachteile sollen veranschaulicht werden.
Daniel Heidt etwa ließ das Skript von Sofia Coppolas Film „Lost in Translation“ via Google Translation durch zehn verschiedene Sprachen ins Englische zurückübersetzen. Aus dem Original entsteht so kryptische Poesie. Unverständliche, auf abstrakte Grafiken reduzierte Tanzschritte aus einem Lehrbuch machte Vera Kellner dank YouTube wieder nachvollziehbar. Videostills aus der digitalen Arbeit verarbeitete sie anschließend zu einem Daumenkino.
Giulia Schelm wagte ein amüsantes Experiment: Sie setzte sich im Café St. Oberholz zwischen die digitale Boheme – mit einer alten Schreibmaschine. Der analoge Sonderling fiel sofort auf und wurde im Handumdrehen via Twitter zum digitalen Phänomen. Den Tweet-Austausch kann man in der Ausstellung nachlesen: „Im St. Oberholz sitzt eine Frau mit ihrer Schreibmaschine und schreibt Blätter voll mit Texten. Ich nehme an, für ihren Blog“, schrieb der Ladenbesitzer. „Für ihren Block“, korrigiert ein weiterer Twitter-Nutzer. „Mach ein Foto, sonst ist das nie passiert!“, empfiehlt ein anderer. Analog ist ohne digital ist ohne postdigital wohl nicht mehr vorstellbar. ELISE GRATON
■ „Postdigital ist besser“: vom 23. bis zum 26. April, 10–18 Uhr, Universität der Künste Berlin, Einsteinufer 43–53