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Archiv-Artikel

Kohler tritt den Dienst an

Jürgen Kohler soll den MSV Duisburg retten. Die Härte für den Abstiegskampf bringt der Nationalverteidiger mit

Trainingsanzug, Stutzen, Fußballschuhe. Jürgen Kohler lebt den totalen Einsatz vor. Gestern morgen trat der Weltmeister von 1990 seinen Dienst beim MSV Dienstag an. Es ist Kohlers erste Station als Trainer einer Profimannschaft. Das bescheidene Ziel: Der Klassenerhalt. „Es darf nicht sein, dass wir nach nur einem Jahr wieder in die Zweitklassigkeit müssen“, gibt MSV-Chef Walter Hellmich die Richtung vor. Der Alleinherrscher aus Meiderich hat daher den „zuverlässigen und ehrlichen“ Sportskameraden Kohler auserkoren.

„Durch meine sieben Jahre bei Borussia Dortmund bin ich ein Kind des Ruhrgebiets geworden“, gibt sich Kohler volksnah. Er wisse, was dort verlangt werde: „Harte Arbeit, Maloche.“ Und keine Schönspielerei. „Mir reichen auch 1:0-Siege.“ Der Fußballfan weiß, was das bedeutet. Grätsche statt Doppelpass, Fünferabwehr statt Dreiersturm. „Zur Not auch mit Libero.“

Die lustfeindliche Spiel- und Denkweise bekam der Stopper in der berühmten „Waldhof-Schule“ in Mannheim vermittelt. Trainer Klaus Schlappner, der mit dem NPD-Parteibuch, nötigte in den 80er Jahren die Fußballbundesliga mit destruktivem Defensivfußball. Roland Dickgießer, Dieter Schlindwein oder Günter Sebert hießen die Klopper. Von 1983 bis 1987 lernte auch Jürgen Kohler am Waldhof, ehe er als Nationalspieler zum 1. FC Köln wechselte.

Die folgenden Stationen sind hitverdächtig: Bayern München, Juventus Turin und Borussia Dortmund. Die Erfolge: Weltmeister 1990, Europameister 1996. Landesmeister mit Bayern, Juve und dem BVB – dort gleich zwei Mal. Dazu Champions-League (Dortmund) und Uefa-Cup (Turin). Am Ende bleiben 398 Spiele in der Bundesliga (28 Tore), 102 Spiele in der Seria A (8 Tore) und 105 Länderspiele (2 Tore).

Der Sprung in die fußballerische Leitungsebene fiel schwerer: Im März 2003 trat er den Posten als Sportdirektor bei Bayer Leverkusen. Das Engagement wurde nach einem Jahr vorzeitig beendet. Begründung: Nichts zu tun. Der Trainerjob beim VfB Stuttgart im Jahr darauf kam erst gar nicht zustande. Als wichtigste Station seiner Karriere nennt Kohler immer wieder den verlorenen Zweikampf gegen Marco van Basten im EM-Halbfinale von 1988. Der Angreifer erzielte im Hamburger Volksparkstadion zwei Minuten vor Spielende das 2:1 für den späteren Europameister. Hoffentlich wird Duisburg nicht zu Kohlers zweitwichtigster Station. HOLGER PAULER