: Von der Mutter zur Königin
AUSSTELLUNG Die 47. Art Cologne konzentrierte sich mit junger und internationaler Kunst auf das Wesentliche – das tat der Kunstmesse gut
VON DAMIAN ZIMMERMANN
Eindrucksvoll liegen die 288 Bleistifte aufgereiht in einer Glasvitrine am Stand der Frankfurter Galerie Bischoff Projects. Das heißt: Es sind nur die Bleistiftminen zu sehen, den Rest hat Jürgen Krause mit einem Messer bis zum Stiftende weggeschnitzt. Er zeigt das Innerste, das den Stift erst zu dem macht, was er ist – und macht ihn damit gleichzeitig vollkommen unbrauchbar. Sein Werk ist eine Metapher für das Aufschieben der eigentlichen Arbeit: Lieber beschäftigt man sich stundenlang mit vorbereitenden Maßnahmen, doch am Ende kommt man deshalb nicht mehr zum Eigentlichen.
Reduktion der Masse
Dieses Schicksal droht der Art Cologne augenscheinlich nicht. Die selbsternannte „Mutter aller Kunstmessen“ steht so gut da wie seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr – und sie scheint unter ihrem mittlerweile auch nicht mehr ganz so neuen Direktor Daniel Hug (der Schweizer mit dem US-Pass ist seit 2008 im Amt) jedes Jahr noch ein Stückchen besser zu werden. Erreicht hat Hug dies nicht durch noch weiteres Wachstum, sondern durch Konzentration auf das Wesentliche. Die Zahl der zwischenzeitlich fast 300 Aussteller hat sich auf etwa 200 eingependelt, die Fläche wurde ebenfalls auf zwei Messehallen begrenzt, und in diesem Jahr hat Daniel Hug sogar die Dauer der Messe von fünf auf vier Tage reduziert. Gesundschrumpfen nennt man das wohl.
Den anderen Teil seines Erfolgs macht das unermüdliche Werben um wichtige, potente und vor allem internationale Galerien aus. 2013 fällt dabei Helga de Alvear besonders ins Gewicht. Ihre Galerie gilt als wichtigste in Spanien, ihre Sammlung zeitgenössischer Kunst zu den größten der Welt. Entsprechend großzügig ist auch ihre weitläufige Koje, in der sie nur wenige Arbeiten von Angela de la Cruz und Santiago Sierra präsentiert. De Alvear ist nach über zehn Jahren gern an den Rhein zurückgekehrt, wie sie sagt – zum einen gibt es die Berliner Kunstmesse Art Forum, an der sie die letzten Jahre teilgenommen hat, nicht mehr, zum anderen leben im Rheinland aber auch zahlreiche Sammler, die man in der Hauptstadt suchen müsse. Die Messe profitiert aktuell also sowohl vom Engagement und der Weitsicht ihres Direktors als auch von der Entwicklung auf dem Kunstmarkt, die das Problem mit dem innerdeutschen Konkurrenten quasi von allein gelöst hat.
Das reicht Daniel Hug allerdings noch nicht. Der Enkel des ungarischen Konstruktivisten und Bauhauskünstlers László Moholy-Nagy will die Art Cologne auch international zurück an die Spitze bringen – und die Mutter wieder zur Königin aller Kunstmessen machen. Die Weichen dafür sind gestellt, denn auf den zwei Ebenen in Halle 11 der Kölnmesse finden die rund 60.000 Besucher Museales, Etabliertes und Teures genauso wie Arbeiten von Nachwuchskünstlern und -galerien.
Großes Experimentierfeld
Einen wichtigen Anteil an dieser Mischung haben die Förderprogramme New Contemporaries und New Positions, die auf der gesamten oberen Halle verteilt sind und auf junge, außergewöhnliche Künstler und Galerien hinweisen. Seit dem letzten Jahr lockt zudem die Nada, also die New Art Dealers Alliance als Zusammenschluss internationaler Galerien mit Sitz in New York, als Messe in der Messe das Publikum. Sie tritt die Nachfolge des noch von Daniel Hugs Vorgänger Gérard Goodrow initiierten Open Space an, einem Experimentierfeld, in dem die Grenzen zwischen den teilnehmenden Galerien zugunsten eines großen Gesamterlebnisses verschwammen. Der Open Space kam so gut an, dass ihm das gleiche Schicksal drohte wie der Art Cologne in den Jahren zuvor: Er wurde aufgebläht und nahm immer mehr Raum ein.
Diesen Fehler will man nun mit der Nada nicht wiederholen: Gleich bei ihrem zweiten Auftritt in Köln wurde die Anzahl der teilnehmenden Galerien von 33 auf 24 reduziert, die Auswahl bestimmt weiterhin die Nada selbst. Das macht die Attraktivität der Satellitenmesse aus, in der es viel Neues neben Etabliertem zu entdecken gibt – vor allem aber von internationalen Galerien: Die eingangs erwähnten Bleistifte von Jürgen Krause befinden sich direkt vor einem Großabzug von Ryan McGinley, der auf der Messe durchaus als fotografische Avantgarde bezeichnet werden kann.
In der Koje nebenan hat hingegen Alden Projects aus New York in Petersburger Hängung kleinformatige Arbeiten von John Baldessari, Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Marcel Broodthaers und anderen Größen jener Zeit präsentiert, während Blank Projects aus Cape Town mit jungen, südafrikanischen Künstlern anreiste, von denen die amorphen Nylonstrumpfarbeiten von Turiya Magadlela besonders in Erinnerung bleiben.
Wem das zu günstig oder aber zu wenig etabliert war, der konnte sich auch in der Halle darunter bei der Klassischen Moderne umschauen, wo die mitunter millionenteuren Kirchners, Pechsteins, Noldes und Munchs zu finden waren. Insofern hat die „Mama“ Art Cologne für alle gesorgt.