„Bürgerkrieg“ lähmt Hindunationalisten

Indiens größe Oppositionspartei BJP beginnt nach ihrem überraschenden Verlust der Regierungsmacht 2004 den Generationswechsel, doch der Richtungsstreit zwischen Hindufundamentalisten und gemäßigteren Kräften bleibt ungelöst

AUS BOMBAY REGINE HAFFSTEDT

Indiens größte Oppositionspartei, die rechtsgerichtete Bharatiya Janata Partei (BJP), steckt in der schwersten Krise ihres Bestehens. Interne Machtkämpfe verzerren überfällige ideologische Debatten und streuen Misstrauen. Zudem belasten Korruptionsaffären das Ansehen der nationalistischen Hindupartei, die einst das Land von Vetternwirtschaft und Korruption befreien wollte. „Gedrückte Stimmung“ meldeten indische Medien denn auch von der Feier zum 25. BJP-Geburtstag am letzten Wochenende in Bombay. Der scheidende Parteichef Lal Krishna Advani (77) versuchte sich in Optimismus: „Ich bin sicher, dass auf die schlechte Wegstrecke von 2005 eine gute folgt.“

Wie angekündigt legte Advani den Parteivorsitz nieder. Zum Nachfolger wurde der politisch eher blasse Rajnath Singh (54) gewählt, der die BJP im bevölkerungsreichsten Unionsstaat Uttar Pradesh führt. Advani will jedoch Oppositionsführer im Nationalparlament bleiben und das „Gesicht der Partei“ im nationalen Wahlkampf 2007 sein. Für viele überraschend verkündete der 81-jährige Expremierminister Atal Behari Vajpayee seinen Rückzug aus der Politik.

Advani musste den BJP-Vorsitz aufgeben, weil er sich mit der Hinduorganisation Rashtriya Sewa Sangh (RSS) überworfen hatte. Der RSS hatte die BJP als politischen Arm der Hindutva-Bewegung gegründet. Wie Vajpayee und Advani verbrachten viele BJP-Kader ihre Lehrjahre im RSS und verblieben auch als Minister dort. Im Wahlkampf leistet das landesweite Netz von RSS-„Kulturvereinen“ der BJP unverzichtbare Dienste. Die RSS-Führung, die in Indien einen Hindustaat errichten will, wacht eifersüchtig über die täglichen Geschäfte der BJP. Während eines Besuchs beim Erzfeind Pakistan hatte Advani im Juni überraschend dessen Staatsgründer Mohammed Ali Dschinnah gelobt – für den RSS eine Todsünde. Nach wochenlanger Konfrontation kündigte Advani an, den Parteivorsitz zum Jahresende niederzulegen. Doch der Konflikt mit dem RSS, der innerhalb der BJP auch zwischen moderaten und fundamentalistischen Kräften brodelt, ist längst nicht gelöst. Anfang Dezember schloss die Partei die populäre Volkstribunin Uma Bharati aus, weil sie öffentlich gegen die „weiche Linie“ der Parteiführung rebellierte. Die jugendlich wirkende, meist in Hindu-Orange gekleidete Politikerin, die noch im vergangenen Jahr die Regierung des zentralen Unionsstaats Madhya Pradesh führte, rief daraufhin mit RSS-Unterstützung zu einem Marsch nach Ayodhya auf, um die Kampagne für den Tempelbau auf dem Gelände der 1992 zerstörten Babarmoschee wiederzubeleben. Die Anfang der Neunzigerjahre von Advani initiierte Ayodhya-Kampagne half der BJP, die Hindumehrheit gegen die Muslime zu mobilisieren und die Parlamentswahlen 1998 zu gewinnen.

Aber die sechsjährige Regierungszeit stellte die Hindupartei vor neue Probleme. So wichtig wie das ideologische Ziel wurde bald der Machterhalt. Unter dem als „liberal“ geltenden Premierminister Vajpayee suchten jüngere Politiker die BJP für neue Wählerschichten zu öffnen und nahmen sogar einige prominente Muslime in die Partei auf. Der RSS lief Sturm gegen die Reformer und mahnte die Parteiführung, sich auf die Hindutva-Ideologie zu besinnen. Der Skandal um 11 Parlamentsabgeordnete, davon 6 BJP-Mitglieder, die Anfang Dezember bei der Annahme von Schmiergeldern gefilmt wurden, scheint den Kritikern in der RSS Recht zu geben. „Die BJP steckt mitten in einem Bürgerkrieg“, kommentiert die Zeitung The Hindu den Machtkampf mit dem RSS. Noch düsterer sieht die Zukunft für die mit der BJP verbündeten Shiv-Sena-Partei aus, die ihre Hochburg in Bombay hat. Parteigründer Bal Thackeray steht vor einem Scherbenhaufen, nachdem sich sein Neffe Raj und sein Sohn Udday über die Führungsnachfolge zerstritten. Im letzten Jahr hatten mehrere prominente Politiker die Partei verlassen. Raj Thackeray denkt nun an die Gründung einer neuen Partei, die Shiv Sena ihre Wähler streitig machen könnte.