: Lieber Geld als Strafe
SELBSTANZEIGEN Wer dem Finanzamt gesteht, dass er Steuern hinterzogen hat, kommt straflos davon. Teuer werden kann es allerdings trotzdem
FREIBURG taz | Wer zur Polizei geht und einen Banküberfall gesteht, wird wegen Raubes verurteilt, auch wenn er der Bank das Geld später freiwillig zurückzahlt. Im normalen Strafrecht führt die Selbstanzeige also stets zur Strafverfolgung, und die Reue kann allenfalls bei der Verurteilung strafmildernd berücksichtigt werden.
Ganz anders die Selbstanzeige im Steuerrecht: Wer dem Finanzamt gesteht, dass er Steuern hinterzogen hat, und diese nachzahlt, kommt straflos davon. Dem Staat ist es wichtiger, einen Anreiz zur (nachträglichen) Steuerzahlung zu geben, als Kriminelle zu bestrafen. Wer eine Selbstanzeige macht, muss nur die Steuern nachzahlen plus 6 Prozent Verzugszinsen. Das kann allerdings auch recht teuer werden, weil die Nachzahlungspflicht für die letzten zehn Jahre gilt.
Wer zum Beispiel ein heimliches Guthaben in der Schweiz hat, muss bei einer Selbstanzeige die angefallenen Zinsen versteuern. Und wenn das Guthaben als solches in Deutschland nicht versteuert wurde, zum Beispiel weil es aus Schwarzarbeit stammt, muss auch die Einkommensteuer nachbezahlt werden.
Wer dagegen auf eine Selbstanzeige verzichtet, muss ab einer hinterzogenen Summe von 100.000 Euro mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Ab einem Schaden von 1 Million Euro ist in der Regel sogar die Aussetzung der Strafe zur Bewährung ausgeschlossen, so der Bundesgerichtshof. Und die Steuernachzahlung wird trotzdem fällig. Vor allem seit der Fiskus regelmäßig CDs mit Hinweisen auf Steuerhinterzieher ankauft, ist die Zahl der Selbstanzeigen stark angestiegen.
Bei der Selbstanzeige sind allerdings drei Voraussetzungen zu beachten. Erstens muss die Meldung beim Finanzamt rechtzeitig erfolgen. Wer wartet, bis eine Steuerprüfung angeordnet ist, kommt zu spät. Auch wenn die Tat anderweitig entdeckt wurde, etwa weil ein unzufriedener Mitarbeiter den Chef angezeigt hat, ist es zu spät. Die bloße Auflistung eines unversteuerten Kontos auf einer vom Staat angekauften CD mit Kontendaten wird aber oft noch nicht als Entdeckung der Steuerhinterziehung gewertet. Zweitens muss die Selbstanzeige vollständig sein. Wer hinterzogene Zinssteuern nur für ein Jahr meldet und andere Jahre vergisst, geht leer aus und muss mit Strafverfolgung für den ganzen Zeitraum rechnen. Drittens ist die Selbstanzeige seit 2011 auf hinterzogene Beträge bis zu 50.000 Euro pro Steuerjahr beschränkt. Doch auch wer mehr hinterzieht, wird relativ mild angefasst. Er hat bei rechtzeitiger Reue Anspruch auf eine Einstellung des Strafverfahrens. Im Gegenzug muss er allerdings eine Geldauflage von weiteren 5 Prozent der hinterzogenen Summe zahlen.
Normalerweise werden Selbstanzeigen nicht öffentlich bekannt. Es gilt das Steuergeheimnis: Das Finanzamt darf keine Auskunft erteilen. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden mit dem Kauf von Schweizer Steuer-CDs in den letzten Jahren rund 8.000 Selbstanzeigen ausgelöst, die dem Fiskus 400 Millionen Euro einbrachten.
CHRISTIAN RATH