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Archiv-Artikel

Mächtiger Löwe Parlament

BAU-DEBAKEL Bis zum 30. Juni soll die Hamburger Bürgerschaft den neuen Elbphilharmonie-Verträgen zustimmen – die eine erneute Verteuerung um 195 Millionen bergen. Sonst werde alles noch viel teurer, behauptet der Senat. Etlichen Parlamentariern geht das zu schnell. Aber wie viel Macht und Freiheit haben sie eigentlich, um noch einzugreifen?

Von PS

Ist die Hamburgische Bürgerschaft eigentlich kompetent, die Elbphilharmonie-Verträge zu beurteilen?

Das sollte sie jedenfalls sein. Das Haushaltsrecht ist seit vielen Jahren das erste Recht des Parlaments, weswegen jedes Parlament darauf erpicht ist, hierin auch genug Kompetenz zu haben. Abgesehen davon haben auch die Haushalts-Spezialisten die Unterstützung eines Stabes, den jede Fraktion hat.

Was passiert, wenn die Abgeordneten in den paraphierten Verträgen Fehler finden?

Dann muss der Senat nachbessern. Sonst kann sich die Bürgerschaft weigern, den Nachtrag zu verabschieden. Und da der Senat daran interessiert ist, dass der Vertrag durchkommt, wird er auch nachbessern.

In den Verträgen steht, dass die Bürgerschaft bis 30. Juni zustimmen muss. Ist es üblich, das Parlament derart unter Druck zu setzen?

Ja. Allerdings darf der Zeitdruck nicht erpresserisch sein – indem man zum Beispiel eine sehr kurze Frist setzt. Der 30. Juni ist angemessen, weil der Bürgermeister die Bürgerschaft vorher über das informiert hat, was in etwa im Vertrag stehen würde.

Falls die Bürgerschaft nicht bis zum genannten Termin zustimmt, muss die Stadt an Hochtief zurückzahlen, was inzwischen verbaut wurde. Ist dieser Druck aufs Parlament gerechtfertigt?

Ja, denn dass weitergearbeitet wird, ist im beiderseitigen Interesse. Und wenn der Bau weiter still stünde, wären der Öffentlichkeit weitere 195 Millionen Euro noch weniger zu vermitteln. Und dass Hochtief für seine Arbeit bezahlt wird – auch, wenn der Vertrag erst nach dem 30. 6. in Kraft tritt, versteht sich.

Was passiert, wenn die Bürgerschaft nicht rechtzeitig zustimmt?

Wenn sie es nicht schafft – wenn sie zum Beispiel Fehler entdeckt, die der Senat nicht rechtzeitig nachbessert –, müssen die Vertragsparteien einen neuen Termin vereinbaren – und sagen: Unter den gleichen Bedingungen gilt jetzt nicht mehr der 30. Juni, sondern beispielsweise der 30. August. Das ist bei so einem wichtigen Objekt möglich, und diese Option sollte vom Parlament genutzt werden. Denn Senat und Bürgerschaft sind gleichberechtigte Verhandlungspartner.

Kann sich der Senat weigern, den Vertragabschluss auf Ende August zu verschieben?

Wenn sich herausstellt, dass der Termin nicht zu halten ist, muss das Parlament sagen: Wir brauchen mehr Zeit. Darauf kann es bestehen – auch wenn der Senat anderes behaupten mag. Und dann muss der Senat mit Hochtief einen Aufschub verhandeln. Das ist nicht schön, aber kein Drama. Denn jeder Vertragspartner in einem solchen Geschäft weiß, dass der andere nicht einfach unterschreiben kann, sondern dass dahinter weitere Mitentscheider stehen.

Entledigt sich der Senat durch solches Prozedere nicht eines Teils der Verantwortung?

Das Prozedere hat sich der Senat nicht ausgesucht, sondern die Verfassung schreibt vor, dass das Parlament entscheidet, wenn es um so große Haushaltsbeträge geht. Im Fall der Elbphilharmonie ist es sinnvoll, um sicherzustellen, dass die Entscheidung auf verschiedene Schultern gelegt wird.

Sollte so einen Vertrag nicht vielleicht der Landesrechnungshof prüfen?

Ja. Der Rechnungshof ist ein kompetentes, in jeder Hinsicht unabhängiges Beratungsgremium. Seine Aufgabe ist zwar eigentlich die Prüfung bereits verabschiedeter Haushalte, aber Senat oder Bürgerschaft können ihn im Einzelfall durchaus um eine Vorab-Einschätzung bitten. Die Elbphilharmonie-Verträge sollten also nicht nur mit Justiz-, Wirtschafts- und Kulturbehörde, sondern auch mit dem Rechnungshof besprochen werden.

Wenn sie doch so sinnvoll ist: Gehört eine Überprüfung von Verträgen dieser Größenordnung durch den Rechnungshof dann nicht gesetzlich verankert?

Nein. Der Rechnungshof ist kein Schiedsrichter, der dauernd mitläuft und die Pfeife ertönen lässt. Trotzdem haben Senat und Bürgerschaft das Recht, auch zwischendurch seinen Rat in Anspruch zu nehmen.  PS