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Der Verlierer 2006

Ex-Umweltminister Töpfer sagt der CDU ab: Acht Monate vor der Abgeordnetenhauswahl steht die Union ohne Spitzenkandidat da. Parteichef Ingo Schmitt muss sie nun in die Niederlage führen

VON MATTHIAS LOHRE

Wäre das Wörtchen nicht so abgedroschen, dann ließe sich über die CDU sagen: Sie hat ihr größtes Problem einfach „ausgesessen“. Ein halbes Jahr lang haben die lokalen Unions-Granden nach einem Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl am 17. September gesucht. Immer wieder war von Klaus Töpfer als Retter der Partei die Rede. Der frühere Bundesumweltminister mit UN-Job in Nairobi schien tauglich, die Union vor einem erneuten Absturz auf 20 Prozent der Wählerstimmen zu bewahren. Lange schwieg Töpfer zu den Avancen eisern. Jetzt hat er kühl abgesagt. Alternativen hat die CDU, die ihr Kandidatenproblem durch Warten auf Töpfers Zusage aussitzen wollte, bislang nicht. Sie bleibt damit aller Voraussicht nach auf Ingo Schmitt als Spitzenmann sitzen.

Schmitt, Ingo Schmitt – das muss man wissen – ist Landesvorsitzender der Union und seit kurzem Bundestagsabgeordneter. Rund die Hälfte der BerlinerInnen gibt an, den Charlottenburger nicht zu kennen. Die von dem 48-Jährigen gehört haben, verweisen ihn in Politiker-Beliebtheitsskalen regelmäßig auf einen der hintersten Ränge. Ausgerechnet Schmitt wird es jetzt übernehmen müssen, die Union in die fünfte Wahlniederlage in fünf Jahren zu führen. Der Partei bleibt kaum eine andere Wahl.

Schnöde hat Klaus Töpfer der Hauptstadt-CDU Ende vergangener Woche einen Korb gegeben. Nicht persönlich, sondern ganz nebenbei in einem Interview für die österreichische Zeitung Die Presse: „Ich war acht Jahre im Ministerium eines Bundeslandes und acht Jahre Bundesminister. Das reicht fürs Leben.“ Nach dem Ende seiner Zeit als Chef der UN-Umweltbehörde in zwei Monaten hat der 67-Jährige keine Lust, seine politische Karriere mit einer Niederlage bei der Abgeordnetenhauswahl zu beenden. Denn an einen Sieg gegen die lautlos regierende SPD-Linkspartei-Koalition glaubt ernsthaft keiner. Union und FDP dümpeln in Umfragen seit Monaten bei gemeinsam nur 30 Prozent der Wählerstimmen.

Die Zeit drängt. Wer hält sein oder ihr Gesicht für die Wahlplakate hin? Trotzig bleibt CDU-Generalsekretär Frank Henkel beim bisherigen Zeitplan: „Bis Mitte Januar wollen wir einen Spitzenkandidaten benennen.“ Gibt es ein prominentes Karnickel, das die CDU aus dem Wahlkampfhut zaubern kann? Daran mag niemand glauben. Gäbe es einen Plan B, so hätte sich die Union den monatelang andauernden Spott sicher erspart – und nicht stur ihres Töpfers geharrt.

Auf der Kandidatensuche ist in den vergangenen Monaten so ziemlich jeder intelligent dreinschauende Mensch in Berlin ins Gespräch gekommen. Eine kleine Auswahl: Norbert Röttgen, enger Verbündeter der Bundeskanzlerin und Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. Jung und smart. Smart genug, um seine Karriere nicht willentlich mit dem Makel des Wahlverlierers zu versehen. Auch Friedrich Merz, von seiner Intimfeindin Angela Merkel bei der Postenvergabe übergangen, war im Gespräch. Davon redet heute kaum noch jemand.

Als liberal geltende CDUlerInnen haben der kleinbürgerlichen Partei bereits den Rücken gekehrt: Die Kulturpolitikerin Monika Grütters sitzt im Bundestag, Exfinanzsenator Peter Kurth und Exkultursenator Christoph Stölzl verlassen im September das Abgeordnetenhaus.

Bis zur Wahl lernen wir sicher noch einige angebliche Kandidaten kennen. Merken müssen Sie sich aber wohl nur den Namen Schmitt, Ingo Schmitt.

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