: Hin zum radikalen Wandel
VON JEAN PETERS
Die Absicht des Sozialgerichts ist es offenbar, einen radikalen Systemwandel zu beschleunigen. Mit seiner unerwarteten Einschätzung, die Wohnkostenverordnung beruhten auf „Verschwendungsgrenzwerten“, verweist es auf die Lebensrealitäten solidarisch organisierter AktivistInnen, die seit Jahrzehnten erproben, dass man in unserer Überflussgesellschaft auch ohne Geld gut leben kann. Anstelle revolutionärer Rhetorik schreibt das Gericht nüchtern, die Gründe für die Entscheidung seien „methodischer Natur“. Alles, was es braucht, ist demnach, den Eigentumsbegriff am Gemeinwohl zu orientieren.
Wenn man containert, warme Kleidung aus Umsonstläden sammelt und öfter mal zu Fuß geht, besteht keine Gefahr, sich sozial zu isolieren. Ist man pleite, kommt man weniger in Versuchung, auf erfundene Bedürfnisse der Werbeindustrie reinzufallen und stilaufwertende Statussymbole zu kaufen.
Instandbesetzung
Das schafft Zusammenhalt – die RichterInnen können also nur auf soziale Inklusion und kollektives Denken abzielen. Unter dem Druck des Wohnungsmarkts erleben wir eine staatlich geförderte Renaissance der 80er. Hat man sich erst mal daran gewöhnt, Verschwendungsgrundsätze zu verbieten, ist eine Instand(be)setzung leerstehender Wohnungen völlig legitim.
All das wird der Berliner Senat in seiner Neuberechnung berücksichtigen müssen. Nicht die Hartz-IV-Empfänger werden sich warm anziehen müssen, sondern die HausbesitzerInnen. In einem Jahr schon, so die Hoffnung, sind Hartz-IV-EmpfängerInnen keine Opfer mehr. Sie sind die HoffnungsträgerInnen einer neuen, solidarischen Gesellschaft.