: Mit afrikanischen Tapes in den Mai
LIVE-BLOG Wer sich für Hip-Hop aus Ghana, traditionelle Musik aus Marokko oder Soul aus Mali interessiert, wer wissen will, wie House gekreuzt mit äthiopischer Musik klingt, kommt an „Awesome Tapes From Africa“ nicht vorbei
VON ANDREAS SCHNELL
Vampire Weekend – schön und gut. Fela Kuti? Natürlich essenziell. Der entspannte Ethio-Jazz von Mulatu Astatke als Soundtrack für einen Jim-Jarmusch-Film? Aber sicher doch! Youssou N’dour for President – hat zwar nicht geklappt, aber warum eigentlich nicht? Wer aber glaubt, damit schon etwas über afrikanische Musik zu wissen, ist auf dem Holzweg. Auch wenn in den letzten Jahren einiges an afrikanischer Musik von gestern und heute von Labels wie Strut, Honest Jon’s, Analog Africa, Sublime Frequencies oder Soundway in zahlreichen Zusammenstellungen und unterschiedlichen Schattierungen auf den europäischen und amerikanischen Musikmarkt kam, gibt es das meiste weder auf Vinyl, noch auf CDs.
Die Musik, die der New Yorker Musikethnologe Brian Shimkovitz von seinen afrikanischen Reisen mitbrachte, befindet sich vor allem auf Kassetten. Einen ganzen Koffer voll. Und die zeichnen ein Bild afrikanischer Musik, das nur wenig mit romantischen Weltmusikklischees zu tun hat. Weil es natürlich afrikanische Musik überhaupt nur so wenig oder so sehr gibt wie asiatische oder europäische. Um diesen musikalischen Reichtum mit der Welt zu teilen, begann Shimkovitz, seine Schätze im Internet frei verfügbar zu machen. Sein Blog „Awesome Tapes From Africa“ (www.awesometapes.com) ist ein ständig wachsendes, mittlerweile kaum noch überschaubares Archiv afrikanischer Musik.
Den Grundstock bildete einst der erwähnte Koffer, den er von seinem Studienjahr in Ghana mitbrachte, das er auch für Reisen in andere afrikanische Länder nutzte. Inzwischen bekommt er auch Tapes zugeschickt, „von Leuten aus aller Welt“, wie er sagt. Wer sich durch die Musik auf „Awesome Tapes“ hört, entdeckt womöglich eine neue Welt. Die natürlich mit anderen musikalischen Universen teils eng verbunden ist.
Dass der Blues und damit ein wichtiger Strang der populären Musik seine Wurzeln in Afrika hat, dürfte bekannt sein. Dass auch afrikanische Musiker höchst kreativ mit dem umgehen, was über die verschiedensten Kanäle schon seit Jahrzehnten, seit dem Internet allerdings in vorher nicht gekannter Geschwindigkeit aus den Industrieländern zu ihnen kommt, zeigen nicht nur die höchst vielschichten Hip-Hop-Aneignungen, sondern auch der Umgang mit den neuesten Beats der internationalen Dancefloor-Szene.
Und die wiederum lässt sich seit einiger Zeit liebend gern eben auch von afrikanischen Stilen inspirieren, wobei immer wieder historische Verbindungen wie beispielsweise die zwischen Portugal und Angola aufscheinen, die ihre Wurzeln ausgerechnet in der blutigen Kolonialgeschichte haben.
Shimkovitz, der seit Anfang letzten Jahres in Berlin lebt und in Kürze in seine alte Heimat New York zurückkehrt, präsentiert am Dienstag eines seiner vorerst letzten DJ-Sets auf europäischem Boden.
■ Di, 22 Uhr, Bremen, Spedition