: Quel dommage am Ku’damm
MAISON DE FRANCE SCHLIESST
Dass man plötzlich schon wieder älter geworden ist, merkt man unter anderem, wenn zehn Jahre Jüngeren nach Großvatermanier Dinge erklärt werden müssen, die eben noch als Allgemeinwissen galten. Zum Beispiel, dass der Ku’damm mal eine echte Kinomeile war, fast bis zur Jahrtausendwende sogar. Wo jene nur noch großzügig geschnittene Markenmodetempel erkennen, sieht man selbst, voller Melancholie, die Filmpaläste von früher: Marmorhaus, Astor, Gloria und so weiter. Wobei sich der imaginierte Glamour wohl aus noch älteren Schichten speist, denn als diese Häuser schlossen, war ihr Glanz gegenüber den neuen Filmpalästen schon reichlich verblasst.
In diesem Zusammenhang ist der baldige Abschied des Maison de France vom Kurfürstendamm besonders bedauerlich – ein weiterer kultureller Aderlass, und das zu einem Zeitpunkt, wo die City West tatsächlich das zu tun scheint, was interessierte Kreise ihr seit vielen Jahren andichten: wiederkommen. Wäre es nicht einem Boulevard angemessen, neben Edelboutiquen, Nobelhotels, Flagship- und Apple-Stores (Letzterer demnächst in der einstigen Filmbühne Wien) auch Film- und andere Kunst aufzufahren? Neben dem wunderbaren Cinéma Paris, für dessen Weiterbetrieb am selben Ort kaum etwas spricht, verlässt ja in erster Linie die Dépendance des Institut Français das 1950 von der französischen Militäradministration umgebaute Eckgebäude an der Uhlandstraße.
Aber so isser nun mal, der Kapitalismus: schert sich nicht um gesellschaftlich Wünschenswertes. Verwertungsinteressen suchen sich den dafür optimalen Ort, in diesem Fall eben eine Immobilie in bester Lage, deren Finanzierung die klammen öffentlichen Kassen in Paris nicht mehr hergeben (oder deren Verkaufserlös zu verlockend erscheint). Quel dommage.
Aber noch ist der Westen nicht an den Kettenkommerz verloren: Da sind ja noch die Schaubühne und das Literaturhaus, die Buchhandlungen und Cafés am Savignyplatz, gar nicht zu reden vom wissenschaftlich-kulturellen Gravitationszentrum rund um TU und UdK. Die C/O-Galerie kommt. Irgendwann macht auch der Zoo-Palast wieder auf. Könnte man glatt mal wieder hingehen, dann. CLAUDIUS PRÖSSER