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Archiv-Artikel

Neues Schnäppchen bei der Bahn

Nachtzug für 19 Euro – aber nur im Ruhesessel. Verbraucherschützer kritisieren die permanenten Sonderangebote

Weitere Angebote sind geheim, um ihren „Aktionscharakter“zu erhalten

BERLIN taz ■ Die Bahn lockt erneut mit einem Sparticket: Für 19 Euro lässt sich der Nachtzug in so manche deutsche oder europäische Großstadt buchen. Das Angebot gilt vom 9. Januar bis zum 23. Februar – ist aber schon zu reservieren. Das Ticket wird für die Züge der City Night Line oder den DB Nachtzug ausgestellt.

Die Bahn wirbt, die Sparkunden würden „morgens sicher und ausgeruht das Stadtzentrum“ erreichen. Doch Schlaf- oder Liegewagen sind nicht im Angebot; es lassen sich nur Ruhesessel oder Sitzplätze buchen. Zudem ist nicht leicht herauszufinden, welche Strecken zwischen welchen Großstädten der DB Nachtzug bedient. Eine Übersichtskarte findet sich im Internet nur für die City Night Line.

Auch sonst „wird dem geneigten Bahnfahrer die Beschaffung nicht ganz leicht gemacht“, beklagt Hartmut Buyken vom Fahrgastverband Pro Bahn. „Man kann sich kaum noch informieren, weil so viele Fahrkartenschalter geschlossen werden.“ Auch die Internetbuchung hat ihre Tücken. So wird in der normalen Streckenabfrage nicht sofort auf das 19-Euro-Angebot hingewiesen. Zu bezahlen seien die Fahrkarten nur mit Visa- oder Mastercard. Die Servicehotline der Bahn versichert zwar, dass man auch per Lastschrift buchen könne. Die Internetseite weist darauf aber nicht hin.

Die Bahn veranstaltet ständig Sonderaktionen – vom „Herbst spezial“ bis zum Ticketverkauf bei Lidl. Auch in diesem Jahr werden weitere Sparangebote folgen. Sie sind jedoch noch geheim. „Die Angebote müssen ihren Aktionscharakter behalten“, erläutert ein Bahnsprecher. Meist sind die Billigtickets schon nach kürzester Zeit ausverkauft. Das ist durchaus gewollt: „Günstige Angebote müssen kontingentiert werden“, verteidigt sich die Bahn. „Sonst wären die Züge völlig überfüllt, und davon hätten die Schnäppchenjäger auch nichts.“

Mit den Sonderaktionen will die Bahn ihre Fernzüge besser auslasten. Mit Erfolg: Im letzten Jahr wurden die Fernzüge um zwei Prozentpunkte mehr ausgelastet. Und in den ersten zehn Monaten des Jahres 2005 seien 50 Millionen mehr Fahrten verkauft worden als im Vorjahreszeitraum. „Das entspricht einer Steigerung um 3,5 Prozent, und das gegen den Markttrend“, freut sich die Bahn.

„Die Angebote der Bahn sind ja eigentlich durchaus attraktiv“, räumt Buyken ein. Doch die normalen Bahnpreise seien zu hoch. „Darüber sollen die Sonderaktionen hinwegtäuschen, das ist eine Art Augenwischerei.“ Auch der Verkehrs-Club Deutschland (VCD) ist nicht ganz überzeugt von den Schnäppchenaktionen. „Natürlich muss die Bahn ihre Züge füllen, aber diese Sonderangebote dürfen nicht von den normalen Kunden subventioniert werden“, sagt Bahnexpertin Heidi Tischmann. Gerade Bahncardbesitzer fühlten sich vernachlässigt.

Der VCD kritisiert zudem die Ausrichtung der Bahn, die vor allem versucht, die Billigfluglinien zu unterbieten. Die Bahn sieht dazu jedoch keine Alternative: „Flugzeuge sind von der Kerosin- und Ökosteuer sowie einem Großteil der Mehrwertsteuer befreit“, moniert ein Sprecher. „Das ist ein fast unschlagbarer Konkurrenzvorteil.“

Der VCD sieht dies anders. „Der eigentliche Konkurrent für die Bahn ist das Auto“, widerspricht Tischmann. „Die Bahn sollte nicht jedes Jahr automatisch die Preise für Normalfahrkarten erhöhen.“ MIRJAM MEINHARDT