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Archiv-Artikel

Bayerns Zeigefinger auf Bad Reichenhall

Innenministerium in München sieht die Stadt Bad Reichenhall in doppelter Verantwortung für den Einsturz der Eishalle. Alle 15 Toten sind geborgen. Staatsanwälte gehen auf die Suche nach den Schuldigen. Reichenhaller kritisieren ihren Bürgermeister

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

15 Tote und 34 zum Teil schwer verletzte Menschen. Das ist die traurige Bilanz des Einsturzes der Eissporthalle in Bad Reichenhall, aus der gestern Morgen die letzte vermisste Person geborgen wurde. Auch die 40-jährige Frau hat den Deckenbruch nicht überlebt. Die Zeit des Hoffens ist vorüber. Für die Staatsanwaltschaft wie die Politik geht es nun um die Suche nach Verantwortlichen und Konsequenzen.

Für das bayerische Innenministerium ist die Verantwortung klar: Allein die Stadt Bad Reichenhall muss sie tragen. Innenstaatssekretär Georg Schmid (CSU) betonte, dass die Stadt nicht nur Eigentümerin der Halle war. Als Bauaufsichtsbehörde sei die Stadt zugleich Kontrollinstanz in Sachen Statik und Bausicherheit gewesen. „Wenn es einen Bau-TÜV gäbe, wäre das in dem Fall auch die Stadt Reichenhall gewesen. Es ist klar, dass die Stadt in dem Fall die doppelte Verantwortung hat“, sagte Schmid der taz.

Über einen Bau-TÜV und die Verschärfung von Grenzwerten wollen Anfang Februar die zuständigen Minister aller Bundesländer beraten. Bayern will die neue Kontrollinstanz nicht haben. „Ein Bau-TÜV würde die Situation nicht verbessern – denn Überprüfungsintervalle von fünf Jahren oder zehn Jahren wären viel zu lang“, so Schmid.

Die Baupläne der Anfange der 70er-Jahre errichteten Halle seien in Ordnung, sagte Schmid der taz. Aber wie konnte die Halle dann einfach zusammenstürzen? Wiederum verweist der Staatssekretär auf Bad Reichenhall: „Wir wissen nicht, was die letzten 30 Jahre war. Das zu wissen ist Sache der örtlichen Behörden.“ Sofern die Bauplanung und die Errichtung ordnungsgemäß abgelaufen sind, ist die Ursache für die Katastrophe zwangsläufig in der Zeit danach zu suchen – in der Zeit, in der die Stadt Bad Reichenhall für die Sicherheit zuständig war. Eine klare Gesetzeslage für Schmid: „Die Staatsanwaltschaft muss jetzt die Ursache klären, dann ist schnell klar, wer verantwortlich ist.“

Nach diesen Ursachen suchen derzeit Gutachter und die Staatsanwaltschaft Traunstein. Mit einem Ergebnis ist allerdings nicht vor Anfang April zu rechnen, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Helmut Vordermayer der taz. Seine Behörde ermittle von sich aus wegen fahrlässiger Tötung – allerdings nicht gegen konkrete Personen. „Über meinen Schreibtisch sind auch ein oder zwei Strafanzeigen gelaufen, aber auch die waren gegen unbekannt gerichtet.“

Damit bleiben die Stadt Bad Reichenhall und insbesondere ihr Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier (Freie Wähler) noch von einer direkten Anschuldigung verschont – zumindest von Seiten der Ermittler. Denn die Bürger des Alpenstädtchens sprechen immer deutlichere Worte: „Schämen Sie sich nicht? Sie haben diese Menschen auf dem Gewissen!“, beschimpfte eine am Mittwoch eine Passantin den OB. „Sogar ein örtlicher Feuerwehrmann hat mir Vorwürfe gemacht“, berichtet der 55-jährige Heitmeier mit Tränen in den Augen. Die Kommunalpolitiker stehen dagegen noch geeint hinter ihrem Rathauschef. Die Fraktionen von CSU, SPD und Freier Wählergemeinschaft haben gemeinsam erklärt, dass man sich im Rathaus stets ausschließlich über die Sanierung der Schwimmbad- und Kältetechnik gestritten habe. Nie sei es in den Debatten um die Sicherheit des Gebäudes gegangen. Und dennoch ist das Haus zusammengebrochen. Unverständlich für den Oberbürgermeister, der verzweifelt immer wieder aus einem Gutachten aus dem Jahr 2003 zitiert: „Die Tragkonstruktionen, sowohl Holzkonstruktionen als auch Stahlbetonkonstruktionen, der gesamten Eislaufhalle befinden sich in einem allgemein als gut zu bezeichnenden Zustand.“