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Archiv-Artikel

„Als Afrikaner ist man immer verdächtig“

Vor einem Jahr verabreichte der ärztliche Beweissicherungsdienst Laya Condé zwangsweise ein Brechmittel. Condé starb zwei Wochen später an den Folgen. Seine Angehörigen warten noch immer auf Konsequenzen für die Verantwortlichen

taz: Wie haben Sie damals eigentlich davon erfahren, das Laya Condé gestorben ist?

Touré Mamadi: Er hat in Bremen in einem Asylbewerberheim gelebt. Einer seiner Zimmergenossen hat mich am Neujahrstag angerufen. Er war besorgt, weil er Laya seit Weihnachten nicht mehr gesehen hatte. Zwei Tage später hat er wieder angerufen und uns erzählt, Laya liege im Krankenhaus. Die Polizei hatte es dem Hausmeister des Heims gesagt. Er ist in das Krankenhaus gefahren, um Laya zu besuchen, aber sie haben ihm gesagt, außer seiner Familie dürfe ihn niemand sehen. Meine Frau und ich sind am 4. Januar nach Bremen gefahren. Zwei Tage später ist er gestorben.

taz: Hat es je eine offizielle Mitteilung an Sie darüber gegeben, was passiert ist?

Turay Mamady: Nein, nie.

taz: Auch nicht vom Krankenhaus?

Turay Mamady: Von der Polizei oder dem Senator habe wir nie etwas gehört. Unsere Anwältin hat das Notarztprotokoll bekommen. Darin stand, das sie soviel Wasser in ihn gepumpt haben, bis es in die Lunge lief. Dann fiel er ins Koma.

taz: Ist er dann in Deutschland beerdigt worden?

Turay Mamady: Ja, hier in Hamburg. Das Sozialamt hat dafür bezahlt.

taz: Wie geht es Ihnen jetzt?

Turay Mamady: Wir sind sehr traurig, seitdem er tot ist. Wir vermissen ihn. Die Sache ist für uns immer noch nicht vorbei. Wir mussten uns einen Anwalt nehmen um zu erfahren, was wirklich passiert ist. Wir haben bis heute nicht gehört, dass irgendjemand zur Rechenschaft gezogen werden soll. Sie töteten ihn einfach auf diese rassistische Weise und fühlen sich auch noch im Recht. Es passiert gar nichts. Die Polizisten werden nicht bestraft oder suspendiert und wir erfahren nichts. Das Verfahren läuft noch, aber bis jetzt ist nichts dabei herausgekommen, was uns Ruhe geben könnte.

taz: Fühlen Sie sich noch wohl in Deutschland?

Turay Mamady: Meine persönliche Situation ist okay, ich kann mich nicht beklagen. Über alles andere kann ich nichts sagen, denn wer weiß, wie es ausgeht.

taz: Was erhoffen Sie sich von dem Strafantrag, den Sie gestellt haben?

Touré Mamadi: Die Wahrheit.

Turay Mamady: Ich möchte, dass die Leute, die das getan haben, vom Dienst entfernt werden.

taz: Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen auch auf den Notarzt ausgedehnt, der später hinzugerufen wurde. Er war aber auch derjenige, der den Fall öffentlich machte.

Touré Mamadi: Wir finden, das alle, die anwesend waren, mitschuldig sind, auch die Polizisten.

taz: Der Bremer Innensenator Röwekamp hat damals gesagt, ein „Schwerkrimineller“ wie Laya Condé müsse eben mit „körperlichen Nachteilen“ rechnen. Kurz danach wurde er stellvertretender Bürgermeister, zudem gilt er als der beliebteste CDU-Politiker in Bremen.

Touré Mamadi: Über einen Deutschen hätte er das sicher nicht so gesagt.

Turay Mamady: Die Leute sehen halt nur den Senator oder die Polizei und hören nur das, was sie sagen. Wir hatten keine Möglichkeit, etwas dazu zu sagen, was unser Cousin für ein Mensch war. Wenn die Leute dauernd zu hören bekommen, er war eben ein Dealer, dann ist es klar, dass sie Röwekamp Recht geben. Bei mir wäre es wahrscheinlich nicht anders.

taz: Im Jahr 2004 sind in Hamburg immerhin 64 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums gestorben. Verurteilen Sie Ihren Cousin dafür, das er Drogen verkauft hat?

Turay Mamady: Ich selber bin dagegen Drogen zu nehmen oder zu verkaufen. Wenn ich gewusst hätte, das Laya das tut, hätte ich ihm das auch gesagt. Es ist wahr, das Afrikaner das tun. Aber die Situation, in der sie leben ist sehr schwer. Sechs oder sieben Jahre lang nur mit sehr wenig Geld leben, die Stadt nicht verlassen dürfen, mit vielen Leuten gemeinsam in engen Zimmern wohnen und nicht arbeiten dürfen. Und: egal, wie du dich verhältst – als Afrikaner bist du immer irgendwie verdächtig.

taz: Hier in Hamburg ist im Dezember 2001 der Nigerianer Achidi John ebenfalls durch einen Brechmitteleinsatz verstorben. Was sagen Sie dazu, das der Hamburger Senat diese Praxis seitdem ununterbrochen fortsetzt?

Touré Mamadi: Ich kann das nicht entscheiden. Die Polizei sollte das Recht haben, Drogenhändler zu verhören oder festzuhalten. Aber nicht, sie zu töten. Interview: Christian Jakob

Heute um 12 Uhr findet eine Gedenkdemonstration für Laya Condé statt. Treffpunkt Obernstraße/Ansgarikirche