: Braunes Kalkül am roten Tag
■ Sitzblockaden sind ein erprobtes Mittel, um rechtsradikale Aufmärsche zu verzögern oder zu verhindern. Strafrechtlich war es lange Zeit umstritten, ob solche Aktionen als Gewalt zu werten sind und den Tatbestand der Nötigung erfüllen. 1986 erklärte das Bundesverfassungsgericht Sitzblockaden noch generell für rechtswidrig. Später stärkten die Richter die Rechte von Demonstranten. Seit 2001 können Sitzblockaden demnach vom Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gedeckt sein. In diesen Fällen sind sie nicht als Nötigung strafbar. Zugleich betonte das Gericht, dass Sitzblockaden grundsätzlich als „Gewalt“ im Sinne des Nötigungsparagrafen strafbar sein können. Es sei zu prüfen, ob im Einzelfall die eingesetzten Mittel von Demonstranten im Verhältnis zum Ziel verwerflich sind. (dpa, taz)
HAMBURG taz | Unter dem Motto „Raus auf die Straße – Raus aus der Euro-Diktatur“ hatte die NPD um den Bundesvorsitzenden Holger Apfel für ihre Demonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main geworben. Auch anderswo mobilisierten Rechtsradikale in diesem Jahr zu Umzügen am 1. Mai.
Die Aufmärsche waren Teil der Strategie, soziale Themen aufzugreifen. „Sozial geht nur national“ lautet die Parole der NPD, die längst zum Credo der Szene wurde. Bei den Aktionen erklärten Redner die Gewerkschafter gern zu vaterlandslosen Verrätern der deutschen Arbeiter, die mit ihrem Internationalismus der Globalisierung zuspielten, statt sie zu stoppen.
Die bei den rechten Aufmärschen gezeigten Transparente propagierten „Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“ oder forderten: „Fremdarbeiter-Invasion stoppen“. In den letzten Jahren griffen Rechtsextreme mehrfach gewerkschaftliche Kundgebungen an – so in Dortmund 2009 und in Husum 2011.
Neben den Gewerkschaftern macht die Szene einen weiteren Feind aus: die Juden. In der NPD-Broschüre „Wortgewand – Argumente für Mandats- und Funktionsträger“ heiß es im antisemitischen Jargon: „Bei der Globalisierung handelt es sich um das […] Ausgreifen der kapitalistischen Wirtschaftsweise unter der Führung des Großen Geldes. Dieses hat, obwohl seinem Wesen nach nomadisch und ortlos, seinen politisch-militärisch beschirmten Standort vor allem an der Ostküste der USA.“ Die alten Feinde sind am 1. Mai die neuen Feinde.
ANDREAS SPEIT