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Archiv-Artikel

Bremer Gutachter für „harte Auflagen“

Der von Bremen engagierte Finanz-Gutachter Helmut Seitz hat seine Ratschläge für das Verfahren vor dem Verfassungsgericht, die in Bremen unerwünscht sind, jetzt in Berlin formuliert. Er fordert eine „selbstkritische Diskussion“ im Vorfeld

Bremen taz ■ In Bremen hätte man ihm am liebsten einen Maulkorb umgehängt, als er laut über eine Länderneugliederung nachdachte, in Berlin hat der von Bremer engagierte Gutachter Helmut Seitz jetzt Klartext geredet: Das Bundesverfassungsgericht müsse den Haushaltsnotlage-Ländern „harte Auflagen“ machen, erklärte er, eine Verwendung der Sanierungshilfen wie in Bremen müsse als „Missbrauch“ ausgeschlossen werden, und am besten, ein Haushaltsnotlageland gehe mit gutem Beispiel mit Selbstverpflichtungen bei den Sparauflagen voran. „Nur dann“, formuliert Seitz, habe ein klagendes Land in Karlsruhe eine Chance.

Als der von Bremen für die Vorbereitung der Verfassungsklage beauftragte Gutachter, Inhaber des Lehrstuhls „Empirische Finanzwissenschaften und Finanzpolitik“ an der TU Dresden, in einem Nachtrag zu seinem Bremer Gutachten im Oktober laut über „optimale Startbedingungen“ für eine Länderfusion nachdachte, gab es in der Hansestadt empörte Reaktionen. CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau meinte: „So geht das nicht.“ Wenn der Finanzsenator den von Bremen finanzierten Gutachter nicht davon abhalten könne, sich über solche Dinge Gedanken zu machen, müsse der Bürgermeister die Federführung übernehmen.

Nun ist es sicherlich schwierig, einen renommierten Finanzwissenschaftler über einen Gutachterauftrag an die kurze Leine zu nehmen. Zu Bremen hat sich Seitz seitdem nicht mehr geäußert, die Endfassung des Gutachtens liegt bisher nicht vor. Derweil hat er aber zu der jetzt zur Verhandlung anstehenden Berliner Verfassungsklage im Berliner „Tagesspiegel“ seine Meinung formuliert, die man wörtlich auf den Bremer Fall übertragen darf.

1992 habe das Verfassungsgericht in seinem „Haushaltsnotlagenurteil“ zu Bremen und Saarland den beiden Ländern nicht nur Hilfestellung zugesprochen, sondern damit die „Forderung nach verbindlichen Regelungen, die künftige Fälle von Haushaltsnotlagen weitgehend unmöglich machen“, verbunden. Das sei nicht passiert, sei Seitz, und das Verfassungsgericht müsse das jetzt nachholen. Denn: „Damit würde der Missbrauch der Entschuldungshilfen unmöglich gemacht. Ein solcher Missbrauch liegt vor, wenn die gesparten Zinsausgaben zur Finanzierung anderer Ausgabenwünsche verwendet werden.“ Exakt das aber war die Bremer Sanierungsstrategie.

Um solchen „Missbrauch“ zu verhindern, müsse das Bundesverfassungsgericht „harte Vorgaben machen“, formuliert Seitz – immer im Hinblick auf Berlin. Das wäre letztendlich nur durch eine Verfassungsänderung erreichbar.“ In der Landesverfassung, so der Finanzwissenschaftler, sei der „Spielraum für die Kreditfinanzierung im Haushalt ... durch eine härtere Fassung zu ersetzen“. Außerdem sollten „die Eckdaten der schon beschlossenen und der noch einzugehenden Eigenanstrengungs-Zusagen des Senats in die Verfassung geschrieben werden.“

Berlin sollte den Auflagen des Gerichts zuvor kommen und noch vor der Verhandlung über die Klage die Landesverfassung entsprechend ändern, empfiehlt der Gutachter. Seitz begrüßt ausdrücklich den Vorschlag des Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin, „die Bezahlung von Senatoren vom Finanzierungssaldo abhängig zu machen“. 25 Prozent der Bezüge der Politiker sollten von der Höhe des Finanzierungssaldos im Haushalt – in Relation zum Länderdurchschnitt – abhängen.

Auch in dem Entwurf zu dem Bremer Gutachten hatte Seitz argumentiert, Bremen sollte vorsichtshalber selbst Fehler der eigenen Sanierungspolitik einräumen: „Es ist besser, wir stellen uns dieser Diskussion selbstkritisch im Vorfeld, als dass diese Diskussion dem Land in einem Verfahren aufgenötigt wird“, empfahl er der Bremer Politik.

Klaus Wolschner