: Ich will anständig und ehrlich sein
BUNDESLIGA Eintracht-Trainer Armin Veh erklärt im taz-Interview, warum der Fußball in Frankfurt spielerisch sein soll, was ihn am Business Fußball stört und ein bisschen auch sich selbst
Der gebürtige Augsburger und gelernte Immobilienkaufmann absolvierte als Spieler 65 Bundesligapartien für Borussia Mönchengladbach. Seine Trainerkarriere begann er 1990 beim damaligen Bayernligisten FC Augsburg. Nach der ersten Bundesligastation in Rostock führte ihn sein Weg abermals über seinen Heimatverein nach Stuttgart, wo ihm in der Saison 2006/07 mit dem Meistertitel sein größter Erfolg gelang, Nach Stationen beim VfL Wolfsburg und dem Hamburger SV übernahm Veh im Sommer 2011 die Frankfurter Eintracht, die er im ersten Jahr zurück in die Bundesliga führte. Sein Vertrag wurde kürzlich bis 2014 verlängert.
INTERVIEW TIMO REUTER
taz: Herr Veh, Eintracht Frankfurt ist neben dem SC Freiburg die Überraschungsmannschaft dieser Bundesligasaison. Warum war die Eintracht so erfolgreich?
Armin Veh: Beide Mannschaften haben überrascht, wir als Aufsteiger und Freiburg als Verein ohne großes Budget. Und beide zeigen technisch guten Fußball mit viel Leidenschaft und Schnelligkeit. Nach den Erfolgen wurden beide Teams anders wahrgenommen, dann war es schwieriger, eigene Vorhaben durchzusetzen. Trotzdem versuchen es Frankfurt und Freiburg weiter mit spielerischen Mitteln und verlassen diesen Weg nicht.
Wie erklären Sie Frankfurts Einbruch in der Rückrunde?
Dass so ein Flow mal abbricht, ist normal. Spieler sind gesperrt, verletzt oder haben eine Formschwäche. Das spiegelt sich in den Leistungen wider, denn wir haben keinen Kader wie Bayern München.
Wie beeinflussen Sie als Trainer die Leistung Ihrer Mannschaft?
Als Aufsteiger hatten wir am Anfang der Saison einen Umbruch. Wir konnten Spieler verpflichten, die meine Fußballphilosophie umsetzen können. Unser Spiel war von Anfang an offensiv ausgerichtet. Außerdem hatten wir Glück, wenige Verletzte zu haben. Wenn man aber als Trainer eine feststehende Mannschaft übernimmt, muss man dort das Beste rausholen – und vielleicht defensiv spielen lassen, weil die Spieler das besser können. Insgesamt gilt: Wenn man Menschen führen will, braucht man zehn Prozent Fachwissen und neunzig Prozent Charakter.
Und was für ein Charakter sind Sie?
Ich versuche, das was ich sage, auch zu tun. Ich will mit jedem Spieler anständig und ehrlich umgehen, das erwarte ich auch umgekehrt. Eine gewisse Nähe zu den Spielern ist wichtig – aber man braucht auch Distanz. Denn ein Trainer muss unpopuläre Entscheidungen treffen. Außerdem ist es wichtig, individuell auf die Spieler einzugehen.
Was sind Ihre langfristigen Ziele mit der Eintracht?
Das Ziel kann nur lauten, uns in der Bundesliga zu etablieren und die Mannschaft zu verbessern.
Wollen Sie nicht perspektivisch international spielen?
Doch, aber in unserem finanziellen Rahmen werden wir es wohl nicht schaffen. Mir ist wichtig, dass wir eine eigene Identität haben. Wir können nicht immer gewinnen, aber wir wollen den Fans flotte Spiele bieten und sie begeistern. In dieser Saison wollen wir definitiv die Qualifikation für die Europa-League schaffen.
Wäre das für die nächste Saison nicht eher Fluch als Segen?
Klar hätten wir dann eine Doppelbelastung. Aber ich kann nicht ständig daran denken, was passieren könnte. Wir wollen das Maximale erreichen.
Kann das perspektivisch die deutsche Meisterschaft sein? Oder gehen die finanziellen Möglichkeiten der Vereine – Stichwort spanische Verhältnisse – dafür zu weit auseinander?
Im Leben gibt es immer eine Chance (lacht). Realistisch pendeln wir uns aber zwischen Platz 11 und 13 ein. Ansonsten hoffe ich, dass es in der Bundesliga keine spanischen Verhältnisse geben wird. Ausschließen kann ich es nicht.
Sie haben schon zwei Spieler aus Freiburg verpflichtet. Was hat Frankfurt, was Freiburg nicht hat?
Der finanzielle Unterschied ist nicht so gravierend wie etwa zwischen uns und Wolfsburg. Aber wir haben mehr finanzielle Möglichkeiten als Freiburg. Frankfurt ist zudem eine attraktive Großstadt, die Eintracht hat fast immer 50.000 Zuschauer.
Werden kleine Klubs für ihren Erfolg bestraft, indem stets die besten Spieler weggekauft werden?
Ja, aber das lässt sich nicht verhindern, auch bei uns nicht. Mir ist lieber, dass andere Vereine an meinen Spielern interessiert sind, als umgekehrt, weil wir dann gut gearbeitet haben. Auch wenn ich meine Spieler ungern hergebe: Da bin ich wie ein Papa, der nicht will, dass sein Sohn zu einem großen Klub geht, auch wenn ich dafür natürlich Verständnis habe.
Ist der Beruf des Fußballtrainers Ihr Traumjob?
Seit ich fünf bin, spiele ich Fußball. Ich wurde durch diesen Mannschaftssport geprägt: zusammen verlieren und zusammen gewinnen. Aber ein Traumjob ist es nicht, weil man sehr viel Verantwortung trägt, da kann man nicht einfach raus. Ich denke sehr oft an den Fußball. Das ist kein einfacher Beruf, man steht ständig im Fokus der Öffentlichkeit.
Wie bewahren Sie Ihr Privatleben?
Ich nehme mir öfters in Länderspielpausen Zeit, fahre heim, mal nicht an Fußball denken und andere Energien reinlassen, das tut mir gut. Ich bin dann völlig unspektakulär. Während der Auszeiten kann ich mich mit allen möglichen Dingen dieser Welt beschäftigen, weil sie mich interessieren. Ich liebe den Fußball, aber empfinde das nicht als Droge.
Es kribbelt aber noch vor den Spielen?
So wie am ersten Tag. Wenn es nicht mehr kribbelt, dann kann man den Job nicht mehr gut machen.
Sie gelten als authentisch und direkt – eher unübliche Eigenschaften im kommerzialisierten Fußballgeschäft.
Ich versuche einfach, ein ordentlicher Mensch zu sein und Andere zu respektieren. Mit allen Schwächen und Stärken, die wir haben. Ich bin außerdem kein Diplomat, der ständig überlegt, was er sagen darf. Ich wünsche mir insgesamt im Sport mehr Ehrlichkeit und dass man nicht immer aufpassen muss, was man sagt.
Was stört Sie noch am „Business Fußball“?
Klar hat dieses Geschäft Nachteile. Mich stört zum Beispiel, dass ein paar Chaoten im Stadion Mist machen und dafür noch große Aufmerksamkeit in den Medien bekommen. Der Fußball ist voller Emotionen, für viele Menschen gehört er zum Leben dazu. Auch Frauen kommen immer öfter ins Stadion, das ist doch toll. Es ist ein Fest, ins Stadion zu gehen. Außerdem sollte man aufpassen, den Sport nicht zu wichtig zu nehmen oder als Vorbild für Dinge zu benutzen, die er gar nicht leisten kann.
Haben Sie noch Ziele?
Klar habe ich noch Ziele. Aber ich muss ja nicht alles öffentlich sagen, was ich mir so denke. Es sind zumindest keine bösartigen Ziele (lacht).