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Archiv-Artikel

Im Namen des Herrn

Ishak Ismailoglu ist einer von 250.000 Berliner Muslimen, die heute das Opferfest begehen. In seiner Neuköllner Fleischerei verkauft er Fleisch, das den strengen Riten genügt. Das Opferfest gehört zu den höchsten religiösen Feiern der islamischen Welt

VON CIGDEM AKYOL

Seit mittlerweile zwölf Jahren schließt der Türke Ishak Ismailoglu seine Fleischerei in Neukölln um acht Uhr früh auf. Gerahmte Fotos zieren die Wände des Ladens, sie zeigen den Wallfahrtsort Mekka. In einer Ecke hängt die türkische Flagge und leuchtet in sattem Rot. Elf Stunden steht Ishak Ismailoglu werktags hinter der Theke und nimmt die Bestellungen seiner Kunden entgegen. Natürlich gibt es kein Schweinefleisch bei ihm zu kaufen.

Die kommenden vier Tage sind auch für den routinierten Fleischer etwas Besonderes. Weltweit feiern Muslime vier Tage lang den Höhepunkt des Hadsch, der Wallfahrt nach Mekka. Es ist für alle Gläubigen Pflicht – sofern sie genug Geld haben –, zur Feier des Opferfestes ein Tier zu schlachten. Deswegen herrscht in der kleinen Fleischerei in der Neuköllner Hermannstraße 64 in diesen Tagen auch Hochbetrieb.

Seit 35 Jahren lebt Ismailoglu in Deutschland. Er ist hier angekommen, einen Teil seiner Heimat hat er aber mitgenommen. Der Fleischer sorgt dafür, dass seinen Kunden das Opfertier nach islamischen Brauch übergeben wird. Etwa 30 Kilometer von dem Laden entfernt liegt sein Schlachthof. Hier, im brandenburgischen Ragow, werden die vorgeschriebenen Riten streng eingehalten. Es gibt einen Gebetsraum, in dem ein Iman vor Beginn der Schlachtungen in Richtung Mekka betet. Die Tiere dürfen ihre bereits getöteten Artgenossen nicht sehen. Deshalb wird den Schafen eine Augenbinde angelegt.

Eigentlich sollte der Familienvater das Tier töten. In Deutschland ist diese Vorgabe aber nicht umsetzbar. Schließlich besitzt nicht jeder muslimische Mann eine Ausbildung als Schlachter, wie es in Deutschland vorgeschrieben ist. Während des Rituals spricht derjenige, der schlachtet, verschiedene Gebete.

Damit es sich um „erlaubtes“ Fleisch handelt, muss sich der Schlachtende rituellen Vorschriften unterwerfen: Der Kopf des Tieres muss in Richtung Mekka zeigen. Der Schächter muss Allah anrufen und dann dem Tier die Kehle durchschneiden, ohne dass der Kopf vom Nacken getrennt wird. Anschließend wird das Fleisch des ausgebluteten Tieres unter Bedürftigen und Angehörigen verteilt.

Die rituelle Schlachtung ist unter Tierschützern umstritten. Seit einem Gerichtsbeschluss 2002 darf ein warmblütiges Tier nur dann geschlachtet werden, wenn es vor der Ausblutung betäubt wurde. Eine Vorgehensweise, die in Deutschland von den Muslimen geduldet, aber nicht unbedingt gebilligt wird. Die türkische Tageszeitung Hürriyet berichtete letzte Woche über die Ausnahmeregelung und verurteilt diese.

Auch Ishak Ismailoglu ist nicht begeistert von dem Gesetzt, muss es aber befolgen. Dieses Jahr hat er weniger Bestellungen als sonst. Denn viele Muslime überweisen Geld an islamische Organisationen, welche die Schlachtungen dann in Krisengebieten vornehmen und das Fleisch an die Armen verteilen. Auch Ismailoglu hat Geld für das Opferfest in die Türkei gesendet. „Die Menschen dort sind bedürftiger als hier“, erzählt der kleine, kräftige Mann.

Jörg Staske ist der einzige deutsche Fleischer in Berlin, in dessen Betrieb rituelle Schächtungen durchgeführt werden. In seinem Betrieb in Schönefeld gibt es keinen Gebetsraum. „Jede Religionsgemeinschaft will in eine andere Richtung beten“, lacht der Inhaber Jörg Staske „das würde meine Räumlichkeiten“ sprengen. Die Gläubigen suchen sich im oder um das Gebäude herum eine ruhige Stelle und beten. Hier müssen die Gläubigen ihren eigenen Schlachter mitbringen, und der muss am Festtag ein Gesundheitszeugnis, eine Zulassung und einen Ausbildungsnachweis vorzeigen. „Sonst könnte ja jeder kommen“, so Staske. Und es kamen auch schon Schlachter aus Pakistan und Marokko.

Deutsche, die das Opferfest feiern, kennt Jörg Staske nicht. Ishak Ismailoglu hat immerhin einen deutschen Kunden, der dem Islam beigetreten ist. „Der weiß mehr als die meisten Muslime“, sagt er.