„Sie sollten sich nicht suhlen“

VORTRAGSKONZERT Ana Marija Markovina begleitet den Themenabend „Liebeskummer“ am Klavier

■ 66, ist Diplom-Psychologe und Vertretungsprofessor für Sozialpsychologie am Institut für Psychologie und Kognitionsforschung an der Uni Bremen.

taz: Herr Reuter, der musikalische Part des Abends stellt ja eher die emotionale Seite des Liebeskummers dar – ist Ihr Vortrag dann die rationale Seite?

Helmut Reuter: Nein. In der Kunst-, Kultur- und Musikpsychologie beschäftige ich mich ja mit der Gefühlswelt und vor allem mit der Romantik, die ja nun nicht gerade nüchtern und rational ist. Außerdem vertrete ich als Neuropsychologe die Auffassung, dass Gefühl und Verstand nicht voneinander zu trennen sind. Schauen Sie sich einen Mathematiker an: Es ist das Gefühl, das ihn zur Lösung eines Problems treibt – das eine geht ohne das andere nicht.

Gibt es denn einen Weg, rational mit Liebeskummer umzugehen?

Nein, sicher nicht. In verschiedenen Epochen sind die Menschen zwar unterschiedlich damit umgegangen. Aber gerade in der Romantik hat man sich sehr zu seinem Gefühlsleben bekannt, Briefe, Bücher und Gedichte geschrieben, gemalt, Musik gemacht. Und ich finde, das ist die einzig manierliche Herangehensweise.

Ist dieser Weg der Verarbeitung heute überhaupt möglich oder besser: gesellschaftsfähig?

Gute Frage. Heute wird zum Beispiel im Beruf viel Gefühlskälte verlangt. Kevin Dutton sagt in seinem Buch „Psychopathen“, dass die Eigenschaften eines klassischen Psychopathen gute Voraussetzungen seien, um Banker oder Rechtsanwalt zu werden. Trotzdem: Möglich ist es sicher.

Wie denn?

Sofern Menschen Zugang zu kulturellen Gütern haben, sollten sie sich unbedingt Modelle suchen, Bücher, Kunst, Musik – sie sollen etwas finden, in dem sie sich wiederfinden.

Aber ist es denn gut und hilfreich, sich so hineinfallen zu lassen in den Schmerz des Liebeskummers?

Sie sollten sich nicht suhlen, sondern einen weltgestalterischen Umgang finden – aber eine Zeit lang darin versinken, das ist nicht schlimm, es gibt da auch keine Norm der Bewältigung.

Und auch keine Grenze beim Selbstmitleid?

Sich zu fragen „Warum passiert das dauernd mir?“, das ist tatsächlich ein bisschen kindlich. Aber: Liebeskummer ist ein Zustand, durch den man sich selber besser kennenlernt – und es gibt eine Notwendigkeit, sich besser kennenzulernen!

Die Einsicht in diese Notwendigkeit ist aber doch wieder etwas Rationales...

...Nein, gar nicht: Neugier ist emotional!  Interview: SCHN

19 Uhr, Haus im Park am Klinikum Bremen-Ost