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Archiv-Artikel

Beamtenbund droht indirekt mit Streik

Lobbyverband kritisiert unterschiedliche Bezahlung in den Bundesländern durch die geplante Föderalismusreform

KÖLN taz ■ Es war schon ein schweres Kaliber, das Peter Heesen auffuhr: Es gehe nicht, so wetterte der bullige Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (dbb) gestern auf der Gewerkschaftspolitischen Arbeitstagung seines Verbandes in Köln, „dass wir ein Berufsbeamtentum verteidigen, bei dem die Ausgewogenheit von Pflichten der Dienstherren und Pflichten der Beamten aus dem Lot gerät.“

Wenn die Dienstherren ihrer Fürsorgeverpflichtung nicht mehr hinreichend und nachhaltig nachkämen, „dann höhlen sie dadurch selbst das Streikverbot aus und könnten es gar zum Erlöschen bringen“, drohte Heesen. „Das aber wäre nicht nur das Ende des Berufsbeamtentums, sondern das Ende des verlässlichen Staates Deutschland.“ Droht der Untergang des Abendlandes?

Der Lobbyverband der deutschen Beamten ist mal wieder in heller Aufregung. Grund ist diesmal die von der schwarz-roten Koalition vereinbarte Föderalismusreform, konkret die vorgesehene Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung sowie des Laufbahnrechts der Landesbeamten auf die Bundesländer.

Damit schaffe die neue Regierung „neue Probleme, wo Lösungen schon vorlagen“, polterte Heesen. Denn eine solche Reform bringe nur Schlechtes: Sie schaffe „17 verschiedene Dienstrechte statt einem“, mache eine Personalaufstockung erforderlich, vermehre den „Rechtswildwuchs“, belaste die Rechtsprechung, verhindere Mobilität und Flexibilität der Beamten und führe „aufgrund stark differenzierter Finanzkraft der Länder zu unterschiedlicher Grundbezahlung im selben Amt“.

Es gehe denen, „die diese Föderalisierung aktiv betreiben, nicht um eine vernünftige Lösung einer Sachfrage“, sondern um die „Durchsetzung einer bloßen Machtfrage“, so der dbb-Chef auf dem zweitägigen traditionellen Beamtentreffen, das nach 29 Jahren erstmalig nicht mehr in Bad Kissingen stattfand.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wies die Vorwürfe Heesens in seiner Rede im Ton gelassen („mit zunehmenden Alter werde ich ja immer milder“), aber in der Sache hart zurück. Er könne „nicht sehen, dass Wettbewerb die Qualität des öffentlichen Dienstes gefährden soll“, antwortete der Christdemokrat kühl.

Bisher hätten die Länder kaum eigene Gestaltungsmöglichkeiten bei den Arbeits- und Gehaltsbedingungen ihrer Beschäftigten, obwohl die Personalausgaben im Durchschnitt mehr als 40 Prozent des Landeshaushalte binden würden. „Kein Arbeitgeber in der freien Wirtschaft würde sich mit einer solchen Beschränkung seines Handlungsspielraumes zufrieden geben.“ Außerdem müsse die geplante Kompetenzverlagerung „nicht zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen, wie es offensichtlich viele von Ihnen befürchten“, so Schäuble in seiner Rede. Zudem halte er es „für sehr verengt, die Frage nach der Einheitlichkeit des öffentlichen Dienstes auf einen einheitlichen Geldbetrag der Besoldungsgruppe zu reduzieren“, sagte Schäuble in seinem immer wieder von Zwischenrufen unterbrochenen Beitrag.

Insgesamt leistet sich die Bundesrepublik mehr als 1,85 Millionen Beamte. 131.000 von ihnen sind beim Bund, 175.000 bei den Kommunen und Gemeinden beschäftigt. Mit 1,2 Millionen Beamten versieht die Mehrzahl der Staatsdiener allerdings in den Ländern ihren Dienst. Die übrigen Beamten sind noch bei den jetzt privatisierten Unternehmen Bahn, Telekom und Post tätig. PASCAL BEUCKER

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