US-Regierung ist von Merkel unbeeindruckt

Washington hält am Gefangenenlager Guantánamo fest. Dort werden 32 Hungerstreikende jetzt zwangsernährt

BERLIN taz ■ Die US-Regierung hat nach der Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba verteidigt. Außenamtssprecher Sean McCormack erklärte am Montag, Guantánamo sei aus einem ganz bestimmten Grund errichtet worden: „Es hält Leute, die sehr gefährlich sind, von der zivilisierten Gesellschaft fern.“ Sollten die Häftlinge freigelassen werden, würden sie ihren Kampf sofort wieder aufnehmen, sagte McCormack.

Die USA halten in dem Gefängnis rund 500 Menschen fest. Viele von ihnen sind seit Jahren ohne Anklage oder anwaltlichen Beistand inhaftiert. Mit der international nicht existierenden Definition dieser Personen als „illegale Kämpfer“ begründet die US-Regierung, sie weder als Kriegsgefangene nach der Genfer Konvention noch als zivile Gefangene nach der Strafprozessordnung zu behandeln. Wenn es überhaupt zu Anklagen kommt, finden die Verhandlungen vor Militärgerichten statt.

Das ist etwa im Fall des heute 19-jährigen Omar Khadr so, der vor vier Jahren in Afghanistan gefangen genommen wurde und dessen Anhörung vor dem Militärtribunal gestern beginnen sollte. Omar Khadr wurde mit 15 Jahren inhaftiert. Die Anklage wirft ihm vor, 2002 in Afghanistan einen US-Soldaten getötet zu haben. Zu keinem Zeitpunkt haben die US-Behörden, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, das Alter Omar Khadrs in Rechnung gestellt. So seien internationale Verpflichtungen des Jugendstrafrechts missachtet worden, als Khadr stets mit erwachsenen Gefangenen eingesperrt wurde und ihm Schulbildung genauso verweigert wurde wie direkter Kontakt zu seiner Familie.

Die Familie allerdings – kanadische Staatsbürger mit ägyptisch-palästinensischen Wurzeln – ist den USA ein Dorn im Auge. Omars Vater, Ahmed Said Khadr, ein mutmaßlicher Gründer von al-Qaida, wurde 2001 von der pakistanischen Armee an der afghanischen Grenze erschossen. Die ältere Schwester, Zaynab Khadr, soll in den 90ern gemeinsam mit Bruder Abdullah Khadr ein Al-Qaida-Trainingslager in Afghanistan geleitet haben, was beide bestreiten. Nach Verhaftungen kehrte Abdullah im Dezember letzten Jahres nach Kanada zurück, wo er aufgrund eines US-Haftbefehls erneut festgenommen wurde. Abdurahman Khadr, ein weiterer Bruder Omars, saß bis Juli 2003 ebenfalls in Guantánamo ein. Er wirft den US-Behörden vor, die Familie nur zu verfolgen, weil sie mal in Afghanistan gewesen sei. „Wir waren in einem Kriegsgebiet – was erwarten Sie?“ sagte er in Toronto.

In Guantánamo werden unterdessen nach Angaben der US-Armee 32 Häftlinge zwangsernährt, die sich in einem Hungerstreik befinden. Die Betroffenen würden über Schläuche durch die Nase oder über Infusionen zwangsernährt. Derzeit verweigerten 43 Gefangene aus Protest gegen die Haft die Nahrungsaufnahme, einige von ihnen seit Monaten. PKT (mit ap, afp)

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