: Politroutine gegen die Panik
Siehst Du, Beckenbauer, so wird das gemacht: NRW-Landespolitik reagiert cool auf Studie über unsichere WM-Stadien. Innenminister: „Völlig normaler Prozess“. Gelsenkirchen: Arena ist sicher
VON MARTIN TEIGELER
Keine Spur von Panik: die NRW-Landespolitik reagiert gelassen auf die Stiftung-Warentest-Studie zur mangelnden Sicherheit der WM-Stadien (taz berichtete). Bauminister Oliver Wittke (CDU) forderte gestern erstmal die komplette Studie an. Er könne das Thema nicht abschließend beurteilen, „weil das, was die Stiftung bisher veröffentlicht hat, verdammt dünn ist, um zu einem Urteil zu kommen“, so Wittke im WDR. Man dürfe nicht „in Hysterie verfallen“. 16 der 64 WM-Spiele finden in den NRW-Stadien Dortmund, Gelsenkirchen und Köln statt.
Nicht weniger cool: der auch für den Sport zuständige NRW-Innenminister Ingo Wolf. Sollte es Anlässe geben, etwas zu verbessern, werde man das tun, sagte der FDP-Politiker. „Natürlich wird die Zeit reichen. Wir verfeinern auch unsere Sicherheitskonzepte im Übrigen ständig, so dass es ein völlig normaler Prozess ist.“ Möglicherweise ist die Sicherheitslage der drei NRW-Stadien am nächsten Dienstag Thema einer Sportausschuss-Sitzung im Landtag, so Ausschussvorsitzender Axel Wirtz (CDU) zur taz. 150 Tage vor Beginn des Turniers hatte Stiftung Warentest am Dienstag bei einigen WM-Stadien von „erheblichen Sicherheitsmängeln“ gesprochen.
So hart gingen die Warentester etwa mit der Schalke-Arena ins Gericht. In Gelsenkirchen, wo fünf WM-Spiele stattfinden, fehlten Fluchttore zum Spielfeld und eine Bahn um den Rasen, um bei einer Panik Entlastung zu gewährleisten. Außerdem bestehe ein hohes Verletzungsrisiko, weil die Fallhöhe zwischen Rängen und Rasen bei 3,40 Meter liege. Der Schalker Graben dürfte die Verantwortlichen noch beschäftigen.
„Man muss bei einer Massenpanik damit rechnen, dass Menschen auch nach vorne auf das Fußballfeld flüchten“, sagt Panikforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen. In Gelsenkirchen sollten nun „Vorrichtungen gebaut“ werden, um eine „gefahrlose“ Flucht zu ermöglichen. Schreckenberg – der nicht an der eigentlichen WM-Studie der Stiftung Warentest beteiligt war, sondern nur im aktuellen test-Heft interviewt wurde – hatte das Verhalten von Fußballfans unter anderem bei einem Länderspiel in Dortmund untersucht. Schon damals sprach Schreckenberg Sicherheitsprobleme an. Das WM-Organisationskomitee versucht nun, seine Thesen als Einzelmeinung darzustellen.
„Panikforscher Schreckenberg, das ist ja so, als ob ich Lehrer wäre“, sagt Martin Schulmann, Sprecher der Stadt Gelsenkirchen. Auf Schalke ist man irritiert, weil die Warentester nicht mit der Kommune als Baugenehmigungsbehörde gesprochen hätten. „Wir wollen genaueres Material von der Stiftung bekommen“, so Schulmann. Es gelte die Einschätzung von SPD-Rathauschef Frank Baranowski: „Die Arena ist ein sicheres Stadion.“