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Archiv-Artikel

Haushalt unter dem Hammer

SPD dreht Spieß um: Verfassungsgerichtshof in Münster soll Nachtragshaushalt der schwarz-gelben Landesregierung prüfen. Die CDU hat Erfahrungen mit derartigen Verfassungsklagen – als Klägerin

VON PASCAL BEUCKER

Die SPD-Opposition will per Verfassungsklage gegen den von der Landesregierung aufgestellten zweiten Nachtragshaushalt 2005 vorgehen. Das kündigte SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft gestern in Düsseldorf an. Schwarz-Gelb habe bereits „im Koalitionsvertrag angekündigt, den Verfassungsbruch zur Regel ihrer Haushaltspolitik“ zu machen. Dies könne nicht hingenommen werden. Deshalb solle nun die Verfassungswidrigkeit des Nachtragshaushalts mittels eines Normenkontrollverfahrens festgestellt werden.

Laut Landesverfassung darf die Summe der Neuverschuldung nicht höher sein als die der Investitionen. Mit dem von CDU und FDP vereinbarten Nachtragsetat für 2005 war die Neuverschuldung jedoch um 2,2 Milliarden auf rund 7,4 Millionen Euro gestiegen und liegt damit um etwa 1,4 Milliarden Euro über der Verfassungsgrenze.

Bei ihrem Gang zum Landesverfassungsgerichtshof stützt sich die SPD-Fraktion auf den Verfassungsrechtsexperten Wolfram Höfling. Der Direktor des Instituts für Öffentliches Rechts an der Universität Köln bescheinigte der Landesregierung gestern einen „leichthändigen und unbekümmerten Umgang mit dem Verfassungsrecht“, der eine gerichtliche Klarstellung erfordere.

Die Landesregierung begehe ohne tragfähige Begründung einen „offen zugegebenen Verfassungsbruch“, sagte der 51-jährige Professor, der die SPD-Fraktion in Münster vertreten wird. So habe Finanzminister Helmut Linssen (CDU) – anders als noch Vorgänger Jochen Dieckmann (SPD) 2003 – keine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt, die ein Überschreiten der Verfassungsgrenze ausnahmsweise rechtfertigen kann.

Stattdessen habe sich Linssen wenig glaubwürdig auf einen von der rot-grünen Vorgängerregierung geerbten „Haushaltsnotstand“ berufen. Dies sei jedoch aus seiner Sicht zum einen kein zulässiges Argument, zum anderen könne von einem solchen Notstand ohnehin keine Rede sein: „Wer sich im Notstand befindet, kann auch keine Reiterstaffel finanzieren.“

Die Landesregierung wies die Kritik der SPD zurück. In einer knappen schriftlichen Erklärung bezeichnete sie den zweiten Nachtragshaushalt 2005 als verfassungskonform. Zur Begründung gab die schwarz-gelbe Regierung an, sie habe „mit der Vorlage des Nachtragshaushaltes den Nachweis der objektiven Unmöglichkeit erbracht, die Regelobergrenze der Landesverfassung einzuhalten“.Sie werde zudem ihr Wahlversprechen einhalten, „die Sanierung und Konsolidierung des Landeshaushalts nachhaltig voranzutreiben“. Die kurz nach Übernahme der Amtsgeschäfte von Rot-Grün verhängte Haushaltssperre sei hierzu „ein erster Schritt“ gewesen. Mit dem im Kabinett beschlossenen Haushaltsentwurf 2006 und einem Sparpaket von fast 1,3 Milliarden Euro habe die Regierung zudem ihren Sparwillen „nachhaltig bewiesen“.

Falls sich das Verfassungsgericht trotzdem der Sichtweise der SPD-Fraktion anschließen sollte, wäre die jetzige allerdings nicht die erste Landesregierung, der ein verfassungswidriger Haushalt bescheinigt würde. So erklärten zuletzt 2003 die Münsteraner Richter die Landesetats von 2001 und 2002 für verfassungswidrig. Damals hatte die CDU-Fraktion noch gegen die rot-grüne Landesregierung geklagt.