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Archiv-Artikel

Nicht viel mehr als eurokritisch

PROSTESTPARTEI Als letztes Bundesland bekommt Bremen einen Verband der neuen Partei „Alternative für Deutschland“. Interessiert sind daran einzig die „Bürger in Wut“

„Das ist ja gerade attraktiv an der AfD: ihr Kurs muss erst noch beschlossen und gestaltet werden – und zwar von den Mitgliedern selbst“

Erich Seifert, Alternative für Deutschland

VON SIMONE SCHNASE

Am Sonntag wollen etwa 30 bis 40 BremerInnen einen eigenen Landesverband der „Alternative für Deutschland“ (AfD) gründen und präsentieren stolz ihr prominentestes neues Mitglied: Beate Prömm, ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der Piratenpartei.

Sowohl die Bremer Linke als auch die CDU nehmen die Gründung des Landesverbandes gelassen: „Wir kämpfen für unsere Inhalte“, sagt CDU-Landesgeschäftsführer Heiko Strohmann, „und um den Rest kümmern wir uns nicht.“ Und Christoph Speer, Landessprecher der Linken, sagt: „Es gibt zwischen denen und uns keine Schnittmengen, und ich habe auch noch nichts von Überläufern aus unseren Reihen gehört.“ Er könnte sich eher vorstellen, „dass die AfD den ‚Bürgern in Wut‘ Wähler abgräbt.“

Erich Seifert, Landesbeauftragter der AfD-Vorgängerorganisation „WahlAlternative2013“, wehrt sich indes gegen die Vorwürfe, die AfD sei rechts: „Wir sind die bürgerliche Mitte.“ Zu AfD-Gründungsmitglied Joachim Starbatty, einst Mitglied des vom Verfassungsschutz beobachteten „Bund Freier Bürger“, sagt er: „Auch die Linke wurde ja vom Verfassungsschutz beobachtet.“ Dass mit Paul Latussek ein ehemaliger NPD-Referent und verurteilter Volksverhetzer einen AfD-Kreisverband in Thüringen gegründet hat, bedauert er indes: „Gegen solche Leute muss konsequent ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet werden.“

„Wir haben Überläufer“, betont Seifert, „aus allen Parteien – zur AfD kommen Grüne genauso wie FDPler oder Piraten.“ Nur in der Linkspartei, sagt er, gebe es bisher eher wenig Abtrünnige, die zur AfD wechselten.

Zur übergelaufenen Bremer Piratin Prömm erklärt Seifert in einer Mitteilung: „Mit dem Anliegen der AfD kann sich Prömm identifizieren, da sie sich nicht nur bezüglich der Werte unserer Gesellschaft, sondern auch über die sogenannte Euro-Rettungspolitik seit längerem Sorgen macht.“

Welche Werte genau gemeint sind, ist unklar: Prömm war für die taz bis Redaktionsschluss nicht erreichbar. Auch Seifert hat darauf keine Antwort. Prömms Haltung zur Euro-Politik kann er indes erklären: „Verträge in Europa sind gebrochen worden, Kriterien für die Aufnahme in den Euro-Raum auch – und Euroskepsis ist in fast allen anderen Parteien ein Tabu-Thema, auch bei den Piraten.“

Sebastian Raible, Vorstandsvorsitzender der Bremer Piraten, hält die AfD für eine „Protesterscheinung“. Zum Übertritt Prömms will er sich nicht äußern: „Ich kann nur so viel sagen: Wer zur AfD übertritt, der war bei uns von Anfang an falsch.“ Seine Partei sei europafreundlich.

Das ist die AfD laut Seifert freilich auch: „Die AfD hat sich aus Liebe zu Europa gegründet, das zu wertvoll ist, um für den Euro geopfert zu werden“, sagt er. Es gehe lediglich um die Währungsfrage. „Dabei ist die Idee, zur D-Mark zurückzukehren, nur eine Alternative. Eine andere ist, den südlichen Ländern die Wahl zu lassen, sich vom Euro zu trennen.“ Parteipolitisch gebe es da noch keine Einigung. Sowieso: Das AfD-Programm ist schmaler als man angesichts ihrer bundesweiten Medienpräsenz vermuten sollte. Neben der Euroskepsis setzt sie sich laut Seifert „für mehr direkte Demokratie“ ein. „Das ist ja gerade attraktiv an der AfD: ihr Kurs muss erst noch beschlossen und gestaltet werden – und zwar von den Mitgliedern selbst“, sagt er.

Das ist selbst den Bürgern in Wut (BIW) zu wenig: „Wir verfolgen die AfD mit Interesse“, sagt BIW-Bürgerschaftsabgeordneter Jan Timke. „Aber während wir einen geordneten Rückschritt zur D-Mark wollen, herrscht dort Uneinigkeit – das ist keine homogene Gruppe.“ Als ex-Mitglied der rechtspopulistischen Schill-Partei habe er erlebt, „was aus einer unkontrollierten Ausdehnung der Mitglieder-Zahlen wird: es gibt einen Zustrom von Querulanten.“ Die AfD könne ähnliche Probleme bekommen: „Die haben auf Facebook vor wenigen Wochen noch gepostet, dass sie alle fünf Minuten ein neues Mitglied aufnehmen – da kann man doch gar nicht schauen, wer da alles reinkommt.“ Eine Konkurrenz sieht er im neuen Landesverband noch nicht: „Wir können dankbar sein, dass die AfD das Thema Euroskepsis wieder in den Vordergrund rückt, aber wir haben hier noch kein einziges Mitglied an sie verloren.“ Erst, wenn die AfD sich kommunalen Themen widmen sollte, müsse man „mal schauen.“ Das wird so schnell nicht passieren: „Wir wollen in den Bundestag“, sagt Seifert, „und danach zur Europawahl. Und erst dann steht die nächste Bürgerschaftswahl an.“