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Archiv-Artikel

Streikführer darf weiter arbeiten

Das Bochumer Arbeitsgericht kippt die Kündigung des Opel-Betriebsrats Turhan Ersin und stärkt die Rechte von Arbeitnehmervertretungen. Auch ein Ausschluss aus dem Betriebsrat ist unwahrscheinlich

AUS BOCHUMKLAUS JANSEN

Der Autobauer Opel ist mit dem Versuch gescheitert, einen der so genannten „Rädelsführer“ des wilden Streiks vom Oktober 2004 zu kündigen. Das Arbeitsgericht Bochum entschied gestern in erster Instanz, dass der Betriebsrat Turhan Ersin weiter für das Unternehmen arbeiten darf. Mit dem Präzedenzurteil stärkte das Gericht die Rechte von Arbeitnehmervertretern in Gemeinschaftsunternehmen.

Die Opel-Werksleitung hatte Ersin „Nötigung von Kollegen“ vorgeworfen. Der Schlosser soll am ersten Streiktag Beschäftigte dazu gedrängt haben, die Arbeit niederzulegen und einen Vorgesetzten bedroht haben. Der Betriebsrat hatte dieser Darstellung widersprochen und der Kündigung nicht zugestimmt. Deshalb wollte Opel vor Gericht einen Beschluss erwirken, der diese Zustimmung ersetzt.

Die Bochumer Richter wiesen die Klage aufgrund eines Formfehlers ab: Den Antrag auf Kündigung hatte nur die Adam Opel AG, nicht jedoch die damals ebenfalls am Bochumer Betrieb beteiligten Joint-Venture-Unternehmen GM-Fiat Worldwide Purchasing GmbH und Opel Powertrain GmbH unterzeichnet. Nach Auffassung des Vorsitzenden Richters Dieter Vermaasen hätte dies aber geschehen müssen: „Das Betriebsverfassungsgesetz schützt nicht nur einzelne Mitglieder des Betriebsrats vor Kündigung, sondern das Gremium als Kollektiv“, sagte er in der Urteilsbegründung. Der Betriebsrat sei von den Belegschaften aller drei Unternehmensteile gewählt worden, also müsse die Kündigung eines Mitglieds auch von allen dreien beantragt werden. Da die Kündigung fristlos erfolgen müsse, sei ein nachträglicher Antrag wirkungslos.

Der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel wertete das Urteil als Stärkung der Arbeitnehmervertretung: „Es hätte diesen Prozess nie geben dürfen. Das war ein gezielter Angriff auf den Betriebsrat“, sagte er. Die Opel-Anwälte kündigten Berufung gegen das Urteil an. Zudem bestehen sie weiter darauf, dass Ersin aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werde. Die Chancen auf einen Erfolg sind für Opel jedoch auch hier gering: Bereits Anfang März wird das Gremium neu gewählt. Ersin will erneut kandidieren – wenn er gewählt wird, kann er kaum ausgeschlossen werden, da sein angebliches Vergehen in eine vergangene Wahlperiode fällt.

Ersin ist einer von zwei Opelanern, denen wegen ihrer Rolle im Streik gekündigt werden sollte. Der Arbeiter Richard K. war bereits im November vom Landesarbeitsgericht in Hamm rechtskräftig aus dem Unternehmen ausgeschlossen worden – da er kein Betriebsrat war, galt für ihn kein besonderer Schutz. Betriebsratschef Einenkel wies gestern Vorwürfe zurück, man habe den Kollegen nicht unterstützt. Mitarbeiter hatten Strafanzeige erstattet, weil im Streik gesammeltes Spendengeld nicht für die Prozesskosten des Arbeiters ausgegeben, sondern an die Aktion „Lichtblicke“ gespendet worden war. „Kein einziger Betriebsrat war gegen die Spende“, sagte Einenkel der taz. Richard K. habe freiwillig auf einen von der IG Metall kostenlos gestellten Anwalt verzichtet und sich privat teureren Rechtschutz besorgt. Es sei nicht Aufgabe des Betriebsrat, dies zu finanzieren. (A BV 64/04)