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Archiv-Artikel

Fußball-Darling bekommt Ärger

Elegantes Auftreten, höfliche Umgangsformen, liebevolles Lächeln: Eigentlich kann man diesem Mann nicht böse sein. Valérien Ismaël, zu seiner aktiven Zeit ein begnadeter Innenverteidiger der Fußball-Bundesliga, tritt abseits des Platzes als Charmeur und Kosmopolit erster Güte auf.

Aber selbst der Netteste der Netten bekommt in dieser Branche irgendwann Ärger. Sein ehrgeiziger Wunsch, so schnell wie möglich von Hannover 96 zum VfL Wolfsburg wechseln zu wollen, wird Ismaël den einen oder anderen Sympathiepunkt kosten. Sein Vertrag als Regionalligatrainer in Hannover läuft noch bis 2014. Aber die lukrative Chance, in Wolfsburg Lorenz-Günther Köstner als Coach der Bundesliga-Reserve zu beerben, möchte er sofort wahrnehmen – ohne Rücksicht auf seinen bisher recht fürsorglichen Arbeitgeber.

Die Enttäuschung in Hannover ist verständlich. Nach seinem verletzungsbedingten Karriereende im Sommer 2009 hatte ihm Präsident Martin Kind sämtliche Türen geöffnet, damit er sich im Rahmen einer Art Trainee-Programm für die richtige berufliche Zukunft entscheiden kann. Ein paar Erfahrungen später wusste Ismaël, dass er kein Mann für den Schreibtisch ist. Er war Praktikant des damaligen Managers Jörg Schmadtke. Er hat sich als Schatten von Präsident Kind versucht. Aber seiner Rolle als Sportkoordinator wollte er doch lieber eine Karriere an der Außenlinie folgen lassen.

Die Frage für alle Beteiligten wird in den nächsten Tagen sein: Wie viel ist ein Fußball-Darling wie Ismaël noch wert? Sein Wechsel ist längst beschlossene Sache, doch 96-Boss verlangt eine Art Entschädigung. Der VfL Wolfsburg verfügt über deutlich mehr Spieler, als er sinnvoll beschäftigen kann. Hannover 96 hat zu wenig Geld, um sich Profis im Überfluss leisten zu können. Wolfsburgs Geschäftsführer Klaus Allofs, der Ismaël nach ihrer gemeinsamen Zeit bei Werder Bremen wieder an seine Seite holt, wird sich monetär oder personell erkenntlich zeigen müssen.

Der Frust in Hannover dürfte vor allem deshalb so groß sein, weil Ismaël alle Kriterien für eine erfolgreiche Trainerkarriere erfüllt. Man schätzt ihn wegen seiner Erfolge als Spieler, er galt schon während seiner Lehrzeit in der Regionalliga als erstklassiger Vereinsrepräsentant. Und niemand wird sich wundern, wenn beim VfL Wolfsburg mal wieder ein Bundestrainer aussortiert wird und mit Ismaël eine Interimslösung bereitsteht. Er ist erst 37 Jahre alt und darf sich A-Lizenz-Trainer nennen. Seine Einschätzung, in Wolfsburg schneller als in Hannover voran zu kommen, lässt eine Zielstrebigkeit erkennen. Und sie beweist, dass auch Ismaël die Etikette mit Füßen treten kann.  CHRISTIAN OTTO