: Die Kein-Bernd Schuster-Strategie
VFL WOLFSBURG Klaus Allofs, Dieter Hecking und VW versuchen es künftig mal mit Bescheidenheit
Auf der Suche nach dem signifikantesten Ereignis der Saison des Fußballbundesligisten VfL Wolfsburg kommt man am Ende bei etwas raus, das nicht geschehen ist: Bernd Schuster, einst Weltstar bei Real Madrid, wurde entgegen aller Vermutungen nach der Vorrunde nicht als VfL-Trainer verpflichtet.
Dafür kam Dieter Hecking. Es wird langsam klar, dass die Personalentscheidung mit einem Paradigmenwechsel bei Clubbesitzer Volkswagen einhergeht. Das größte Automobilunternehmen der Welt verfolgt nach Jahren voller Champions League-Ansprüche und der – sportlich, konzeptionell und imagemäßig – furios verunglückten Rückholung von Meistertrainer Felix Magath nun einen weniger vollmundigen Ansatz der „neuen Bescheidenheit“, wie die Wolfsburger Allgemeine verwundert konstatierte. Auch in der Hoffnung, damit die babelesk aufgetürmten Sympathiedefizite der letzten Jahre wieder abzubauen.
Auch wenn sich seit der überraschenden Meisterschaft 2009 in der VW-Arena nicht mehr viel Herausragendes abgespielt hat: So wenig emotionale Höhepunkte wie heuer gab es selten. Nicht einmal das Erreichen des DFB-Pokalhalbfinales wurde dafür genutzt, positive Fußballerinnerungen zu prägen. Gut, es gab ein grandioses 5 : 2 beim Spitzenklub SC Freiburg. Aber sonst? Das 3 : 3 gegen Champions League-Finalist Borussia Dortmund am Samstag war sicher der spielerische Höhepunkt der Saison, zumindest was Heimspiele angeht. Zeitweise war richtig Fußballstimmung in der Bude.
Der lange verletzte Ex-Dortmunder Ivan Perišić (14. und 22.) sowie Innenverteidiger Naldo trafen für den VfL, Sven Bender (5.) und Marco Reus (84., 87.) für den BVB. Trainer Hecking war zwar selbstverständlich nicht einverstanden damit, dass und wie man sich beim 2 : 3 unter gnädiger Mithilfe von Keeper Benaglio den Sieg noch wegnehmen ließ. Aber grundsätzlich habe er ein „richtig gutes Spiel“ gesehen, in dem sein Team „vieles richtig gemacht“ habe. Stimmt: Wolfsburg zeigte, wie man gegen Dortmund gewinnen kann – indem man den Borussen Ball und Anspruch überlässt, das Spiel zu machen, und sie mit ihrer eigenen Strategie schlägt, dem schnellen Umschalten. Es war das 9. Ligaspiel in Folge ohne Niederlage. Man sieht inzwischen die Konturen von Heckings Fußballidee, die Fortschritte im Umschaltspiel und in dem essentiellen Bestreben, die Abhängigkeit von Kreativspieler Diego Ribas da Cunha zu verringern.
Naja, sagte Manager Klaus Allofs angesichts der fehlenden „Ergebnisorientierung“, man sei ja bereits in der „Vorbereitung auf die neue Saison“. Allofs ist einer der erfolgreichsten deutschen Entwickler von Fußballunternehmen. Er kam zur Rückrunde aus Bremen und er hat sich für Hecking und gegen Schuster entschieden. Er schickt den trutzigen Publikumsliebling und Interimstrainer Lorenz-Günther Köstner weg, um die eigene Fußballschule neu oder richtig aufzustellen. Er hat mit Hecking die eigenen Nachwuchsleute Knoche und Arnold ans Stammteam herangeführt. Nicht als „Quotenyoungster“, aber eben doch, um zu signalisieren, dass die Zeit vorbei ist, in der die Hälfte der Leute im Stadion Impulskäufe waren, die Magath von weit her geholt hatte, um sie dann auf den Tribünen zu verteilen.
Wenn sich Allofs in Wolfsburg bisher einen eklatanten Fehleinkauf geleistet haben sollte, dann allenfalls mit dem Sakko, das er am Samstag trug. Da wäre die Schuster-Strategie vielleicht besser gewesen. PETER UNFRIED