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Archiv-Artikel

Keine Gala für Goleo

Die Absage der WM-Eröffnungsgala hat viele Gründe – und belebt eine alte Rivalität: Während Berlin alles tut, um wenigstens eine „Gala light“ zu bekommen, rollt München schon mal den Rasen aus

VON MICHAEL AUSTUND JAN FEDDERSEN

Es hätte alles so schön werden können. Ein Jude aus Wien sollte der Deutschen größtes Sportfest kulturell aufpeppen. Ein „Fest des Staunens“ hatte André Heller für den 7. Juni im Berliner Olympiastadion versprochen, ein „Ereignis, wie es die Welt noch nicht gesehen hat“. Erstmals in der Geschichte der WM hätte es eine eigenständige Eröffnungsfeier gegeben. Der Traum ist aus, seit die Fifa am Freitag die WM-Eröffnungsgala offiziell abgesagt hat. Dem Zirkusdirektor Heller, auf dessen Narrenkappe die Erfindung des Zirkus Roncalli geht, wurde kurzerhand die Manege weggenommen.

Schuld ist offiziell der Rasen. Laut Wolfgang Niersbach, Vizepräsident des WM-Organisationskomitees (OK), hat die Fifa Angst, dass sich das Grün des Olympiastadions bis zum WM-Auftritt der Brasilianer am 13. Juni nicht mehr von der Fete erholen könnte. „Wenn im ersten Spiel der Rasen nachgibt, Ronaldo ausrutscht und das Tor nicht trifft, dann wären wir richtig blamiert“, sagte Niersbach der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Feinkost im Lichtkostüm

Eine Ausrede, wie nicht nur die vom Rasenkompetenzteam des OK beauftragte niederländische Firma „Hendriks Graszoten“ befand. Hinter vorgehaltener Hand werden von Beobachtern andere Gründe für die Absage angeführt. Zum einen ist da die Kostenfrage. Zwar bestritt die Fifa, es habe finanzielle Engpässe gegeben. Doch seit der gerichtlichen Niederlage im Streit um die WM-Tickets könnte man beim Weltverband vorsichtiger geworden sein. Schließlich ist kein Geheimnis, dass Heller in kulturellen Dingen kein Lidl-Freund ist, sondern eher ein Mann des Feinkostgeschäfts ist: Superstars wie Brian Eno und Peter Gabriel waren für die Gala bereits gebucht, neben der amerikanischen Starsopranistin Jessye Norman sollten die Black Eyed Peas und der Sänger Cheb Kahled aus Algerien auftreten. Ob die veranschlagten Kosten von 25 Millionen Euro tatsächlich eingehalten worden wären, ist zumindest fraglich. Zumal die Nachfrage nach Galatickets schlecht anlief: Erst 5.000 der bis zu 750 Euro teuren Karten sollen verkauft worden sein.

Auch das Galaprogramm selbst soll bei manchem nicht gut angekommen sein. „Wir hätten das Spielfeld in eine riesige LED-Fläche verwandelt, in einen computergesteuerten Bildschirm“, erklärt Heller. „Die Bühne wäre ein riesiges computergesteuertes Bild gewesen.“ Darauf hätten sich bis zu 13.000 Darsteller bewegt, die teilweise „Lichtkostüme“ getragen hätten.

Nachdem die Fifa Heller von der Absage unterrichtet hatte, musste der Künstler am Freitag in Paris die Proben des Choreografen Philippe Decouflé unterbrechen, der gerade mit hunderten Tänzern für die Gala übte. „Sie können sich gar nicht vorstellen, zu welchen dramatischen Szenen es da gekommen ist“, sagte Heller. Er forderte die Fifa auf, sich bei den Mitwirkenden zu entschuldigen.

München leuchtet mit

Ganz nebenbei belebt der Zwist um Goleos Gala auch die alte Städterivalität zwischen Berlin und München. Berliner Politiker forderten am Samstag, eine „Gala light“ auf der Fifa-Fanmeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule zu veranstalten. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte, er werde Fifa-Präsident Joseph Blatter schriftlich anbieten, dass Berlin am 7. Juni gemeinsam mit der Fifa ein Eröffnungsfest veranstaltet. Der Berliner Sportsenator Klaus Böger (SPD) legte nach, es sei „eine moralische Pflicht“ der Fifa, sich daran zu beteiligen. Laut Medienberichten hat die Fifa jedoch eine Beteiligung des Verbands an einer Ersatzveranstaltung bereits definitiv ausgeschlossen.

Gleichzeitig brachte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) seine Stadt als Party-Ort ins Spiel. Es gebe in der Stadt zwei Großarenen, damit könnten die Probleme mit dem Rasen vermieden werden. Die Münchner WM-Koordinatorin Henriette Wägerle fügte hinzu, nach einer Eröffnungsfeier im Olympiastadion könnten die Spieler schnell und unkompliziert in die Allianzarena gefahren werden, um das Eröffnungsspiel auszutragen.

Ob überhaupt und wo die Welt im Juni „zu Gast bei Freunden“ mit einer Gala begrüßt wird, ist jetzt wieder völlig offen. Ob André Heller dabei ist, ebenso. Sicher ist nur, dass der Wiener Delikateur die kurzen Zeremonien vor Eröffnungsspiel und Finale gestalten wird. Das Rasenkompetenzteam hat bislang noch kein Veto eingelegt.