: Das Völkerrecht und der Kniff von Kay Nehm
Dass die Unterstützung des Irakkriegs als völkerrechtswidrig gesehen werden kann, hat das Bundesverwaltungsgericht schon festgestellt. Jetzt drohen Schröder & Co. wieder Strafanzeigen wegen Teilnahme an einem Angriffskrieg
FREIBURG taz ■ Die Aktivitäten des BND während des Irakkriegs könnten auch juristische Folgen haben. Sollte sich erweisen, dass der Bundesnachrichtendienst aktiv den US-Angriff auf den Irak mitgestaltete, müsste sich die Bundesregierung die Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Krieg vorwerfen lassen. Und die damaligen Regierungsverantwortlichen müssten jetzt mit neuen Strafanzeigen wegen der Beihilfe zu einem Angriffskrieg rechnen.
Schon einmal wurde gerichtlich überprüft, wie die deutsche Beteiligung am US-Feldzug zu werten ist. Das Bundesverwaltungsgericht musste im letzten Sommer entscheiden, ob der Major Florian Pfaff wegen Befehlsverweigerung zum Hauptmann degradiert werden durfte. Pfaff arbeitete im Streitkräfteamt der Bundeswehr und entwickelte Logistik-Software. Als er eine Garantie verlangte, dass seine Arbeit in keinem Zusammenhang mit dem Irakkrieg genutzt wird, erhielt er diese nicht und verweigerte fortan die Arbeit.
In einem Aufsehen erregenden Urteil entschied im Juni das Bundesverwaltungsgericht, dass Major Pfaff eine ernsthafte Gewissensentscheidung getroffen habe, die von der Bundeswehr zu respektieren sei; die Degradierung wurde aufgehoben. Doch noch mehr dürfte sich die Bundesregierung über die erst Monate später vorgelegte Urteilsbegründung geärgert haben. Auf 136 Seiten wird dort auch die Zulässigkeit des Irakkriegs und die deutsche Beteiligung daran diskutiert.
Ergebnis: Es gebe „gravierende rechtliche Bedenken“ gegen den Krieg der Vereinigten Staaten, weil er sich weder auf ein UNO-Mandat noch auf ein Selbstverteidigungsrecht stützen konnte. Wer sich „ohne Rechtfertigungsgrund über das völkerrechtliche Gewaltverbot der UN-Charta hinwegsetzt, handelt völkerrechtswidrig. Er begeht eine militärische Aggression“, betonte das Bundesverwaltungsgericht.
Diese Einschätzung hat natürlich Folgen für die deutsche Kriegsbeteiligung. „Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt“, sagen die Leipziger Richter. Deshalb bestünden auch gegen die deutschen Unterstützungsleistungen „gravierende völkerrechtliche Bedenken“. Gemeint ist vor allem die „Zulassung der Entsendung von Truppen, des Transports von Waffen und militärischen Versorgungsgütern von deutschem Boden aus in das Kriegsgebiet“.
Insofern ist der juristische Stab über die Bundesregierung bereits gebrochen. Eine aktive Beteiligung des BND würde die Völkerrechtswidrigkeit der deutschen Politik nicht mehr begründen, sondern nur weiter verschlimmern.
Anders sieht es mit der persönlichen strafrechtlichen Verantwortung der Regierungsmitglieder aus. Hier hat Generalbundesanwalt Kay Nehm bisher Ermittlungen wegen der Teilnahme an einem Angriffskrieg abgelehnt. Anlass zur Prüfung hatte er, weil im Vorfeld des US-Angriffs auf den Irak zahlreiche Strafanzeigen gegen Bundeskanzler Schröder bei ihm eingegangen waren. Unter anderem hatte die PDS Schröder vorgeworfen, mit der Gewährung von Überflugrechten habe der Kanzler gegen Paragraph 80 des Strafgesetzbuches verstoßen, der Kriegsvorbereitungen unter Strafe stellt.
Kay Nehm, der ja politischer Beamter ist, löste den Fall mit einem Kniff. Er ließ offen, wie der US-Krieg zu bewerten sei, interpretierte aber das Strafgesetzbuch sehr restriktiv: Wegen der hohen Strafdrohung – „Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren“ – könnten bei der Strafbarkeit des Angriffskriegs „bloße Duldungs- und Unterlassungshandlungen“ nicht gemeint sein.
Wenn sich nun aber herausstellt, dass der BND mit Wissen der Regierung aktiv an der Zielbestimmung der US-Bomber und Raketen teilnahm, müsste Nehm wohl noch einmal in die Prüfung eintreten. Er müsste dann nachweisen, dass auch dies keine „Tat von Gewicht“ gewesen war. CHRISTIAN RATH