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Archiv-Artikel

Die Tyrannei der Behörde

DENKER Die Debatte über den Kauf gestohlener Steuerdaten – aus streng philosophischer Sicht

Von FRA
„Es braucht auch Schutz gegen die Tyrannei der vorherrschenden Meinungen und Gefühle“

Der Schweizer Philosoph Walther Ch. Zimmerli meinte in einem Interview, nach den Maßstäben der Gesinnungsethik könne ein Unrecht nicht durch ein anderes Unrecht geheilt werden. In Deutschland aber wolle man „lieber 100 Millionen Euro einsammeln, als nichts in der Hand zu haben“, was dem Nützlichkeitsprinzip entspreche.

Der Erfinder des Utilitarismus, John Stuart Mill, bestätigt: „Schutz gegen die Tyrannei der Behörde ist nicht genug; es braucht auch Schutz gegen die Tyrannei der vorherrschenden Meinungen und Gefühle.“ Dass das endliche Vernunftwesen Schäuble auf „die Erfahrungen in der Liechtenstein-Affäre“ zurückgreift, dürfte Johann Gottlieb Fichte gefallen: „Das endliche Vernunftwesen hat nichts außer der Erfahrung, diese ist es, die den ganzen Stoff seines Denkens enthält.“ Deshalb braucht er so dringend die Daten-CD, denn, so René Descartes: „Alles Wissen besteht in einer sicheren und klaren Erkenntnis.“

Logisch, dass sich nun viele Steuersünder „aus Angst“ vor dem Fiskus selbst anzeigen, obschon bereits Martin Heidegger erkannt hat: „Wovor die Angst sich ängstigt, ist das In-der-Welt-Sein selbst.“ Zwar sind, mit Friedrich Nietzsche, die meisten Menschen „hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel“. Laut Arthur Schopenhauer aber entsteht Reue ohnehin „nimmermehr daraus, dass der Wille, sondern daraus, dass die Erkenntnis sich geändert hat“. Daher sei auch der Druck der Behörden gerechtfertigt: „Zwang ist der unzertrennliche Gefährte jeder Gesellschaft.“ Georg Wilhelm Friedrich Hegel plädiert auf Härte auch gegen die Einsichtigen: „Die Wahrheit einer Absicht ist die Tat.“ Jürgen Habermas aber betont, dass die Selbstanzeige auch eine Chance ist: „Ein Akt der Selbstreflexion, der ein Leben ändert, ist eine Bewegung der Emanzipation.“

Nur auf diese Weise können die (noch) vermögenden Betroffenen auch zu einer Einsicht kommen, die vor 2.500 Jahren schon Sokrates dämmerte: „Wie zahlreich sind doch die Dinge, deren ich nicht bedarf.“

Peter Sloterdijk verweigerte gestern leider jede Auskunft: „Keine Zeit, ich habe gleich einen wahnsinnig wichtigen Termin mit meinem Steuerberater.“ FRA