: Die Haimsuchung
Springer hat gestern sein Angebot, ProSieben zu verkaufen, zurückgezogen – wahrscheinlich auf Druck von Nochbesitzer Haim Saban. Kartellamt verschiebt Entscheidung. Ist nun alles wieder offen?
von STEFFEN GRIMBERG
Warum hat Springer sein Angebot, ProSieben zu verkaufen, zurückgezogen?
Offiziell, weil das Bundeskartellamt von Springer verlangt hatte, erst ProSieben zu verkaufen und dann die restliche Sendergruppe zu übernehmen. Diese Forderung komme aber „rechtlich nicht in Betracht“, so Springer gestern. Denn das liefe darauf hinaus, dass „die Axel Springer AG einen Sender verkaufen müsste, bevor dieser ihr überhaupt gehört“. Nach Konzerndarstellung habe das Kartellamt auch „Transaktionsvarianten“ abgelehnt, nach denen ProSieben „nur für eine ‚juristische Sekunde‘“ zu Springer gehört hätte.
Und warum noch?
Vor allem, weil die überraschende Kursänderung von Springer-Chef Mathias Döpfner Richtung ProSieben-Verkauf vergangene Woche nicht nur den Vorstand der ProSiebenSat.1-AG, sondern auch Senderverkäufer Haim Saban vergrätzt hat. Eigentlich wollte Döpfner in dieser Woche noch weiter mit Saban verhandeln und ihn von einem ProSieben-Verkauf überzeugen. Saban und seine Investoren wollen die TV-Familie aber lieber als Ganzes verkaufen, weil sie so insgesamt deutlich mehr wert ist als die Summe der Einzelsender. Da alle Sender gemeinsam Programm einkaufen und ihre Werbezeiten vermarkten, hielten Branchenexperten jede Herauslösung eines Kanals für Unsinn.
Ist der Traum vom Springer-TV damit endgültig am Ende?
Formal jedenfalls nicht. Springer erwartet „nunmehr eine Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts und wird die (…) zur Verfügung stehenden Rechtsmittel und Optionen prüfen“, so der Konzern gestern. Das Kartellamt hat dafür plötzlich angekündigt, nicht schon diesen Freitag, sondern erst eine Woche später seine endgültige Entscheidung bekannt zu geben.
Gegen die kann Springer dann gerichtlich vorgehen oder bei Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) eine Ausnahmegenehmigung, die so genannte „Ministererlaubnis“, beantragen.
Mit Aussicht aus Erfolg?
Auf dem Rechtsweg wohl weniger. Denn egal wie der ausgeht: Es würde Springer wie Haim Saban zu lange dauern. Saban und vor allem seine Mitinvestoren wollen bald Geld sehen. Eine Ministererlaubnis im sensiblen Medienbereich – und dann ausgerechnet für den Springer-Konzern – ist in der großen Koalition höchst umstritten. Allerdings sagen mittlerweile nicht mehr nur die Unionsparteien, sondern auch SPD-Politiker wie Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper, man könne hier ja zumindest mal „genau prüfen“. Für Springer bleibt das aber höchst riskant.
Und was passiert, wenn der Minister nicht erlaubt?
Dann ist Springer-TV tatsächlich tot. Und Haim Saban wieder dran. Er trägt das „Kartellrechtsrisiko“ – wenn der Deal nicht durchkommt, gehört ProSiebenSat.1 wieder ihm und er muss neue Käufer finden. Entsprechende Sondierungen sollen parallel schon die ganze Zeit laufen. Bis jetzt gibt es aber vor allem Spekulationen. Vom deutschen Heinrich-Bauer-Verlag, der die Sender schon 2002 nach der Kirch-Pleite kaufen wollte, bis zu Rupert Murdoch und den großen US-Medienkonzernen wie Disney, Viacom und NBC sind alle im Gespräch. Sogar der Kosmetik-Erbe René Lauder soll sich angeblich für eine Karriere als TV-Unternehmer interessieren.
Behält dann nicht Edmund Stoiber Recht, der vor einem Verkauf an ausländische Investoren warnte?
Ja und? Derselbe Edmund Stoiber hat sich 2002 schließlich auch über den Verkauf an Haim Saban gefreut. Anders als in den USA oder Großbritannien gibt es in Deutschland keine Gesetze, die die Beteiligung von Ausländern an Medienunternehmen beschränken. Das wird von vielen Medienpolitikern gern mal strategisch vergessen. Außerdem sind deutsche Medienkonzerne wie Bertelsmann, Springer und Co. doch ebenfalls umfänglichst im Ausland aktiv.
Für wen macht der Kauf der Sendergruppe denn Sinn?
Vom Know-how über den deutschen TV-Markt am besten aufgestellt sind Medienunternehmen, die schon heute senden: NBC (Das Vierte), Viacom (MTV, Viva, Nickelodeon) oder auch der bisher mit der RTL-Gruppe verbandelte Disney-Konzern (SuperRTL). Wäre allein pro ProSieben verkauft worden, hätte deren Engagement am meisten Sinn gemacht. Jetzt geht es aber wieder um die komplette TV-Gruppe (ProSieben, Sat.1, Kabel 1, N 24, Neun live) – damit sind auch die Finanzinvestoren wieder mit im Spiel. Haim Saban hat ihnen mit dem Springer-Deal zumindest theoretisch vorgemacht, dass man im deutschen TV-Markt in wenigen Jahren viel Geld verdienen kann.
Bekommt Saban denn noch einmal so ein Drei-Milliarden-Euro-Angebot wie von Axel Springer?
Wohl kaum. Springer hat immer für die Möglichkeit mitbezahlt, aus Zeitungen und Fernsehen etwas ganz Großes zu machen. Ganz so viel werden die künftigen Bieter nicht anlegen wollen – und müssen.
Muss diese Schaukelpartie bei ProSiebenSat.1 nicht für heftiges Durcheinander sorgen?
Tut es ja. Allerdings sind viele Sendermitarbeiter seit dem Untergang des Hauses Kirch oder dem Rauswurf von Ex-Sat.1-Chef Martin Hoffmann an Hiobsbotschaften und dauernde Ungewissheiten gewöhnt. Jedenfalls die, die noch da sind.