: Die große Pott-Verschwörung
Weil der Gewerbepark O.Vision in Oberhausen nicht gefördert wird, attackiert die NRW-SPD die Regierung als revierfeindlich. CDU-Ruhrgebiets-Chef Lammert: „Absurde Fehleinschätzungen“ VON MARTIN TEIGELER
Die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten wittern eine Verschwörung gegen das Ruhrgebiet. Seitdem die NRW-Landesregierung in der vergangenen Woche die Förderung des Oberhausener Gewerbeparks O.Vision ablehnte, attackiert die SPD-Opposition die angebliche Revierfeindlichkeit der CDU/FDP-Koalition.
In dem Gewerbepark O.Vision wollte die Stadt Oberhausen Unternehmen der Gesundheitswirtschaft ansiedeln. Das rund 50 Millionen Euro teure Projekt sollte mit 25 Millionen Euro der EU gefördert werden. Das finanzielle Risiko für das Land und die Stadt sei aber zu groß, so die Position der Landesregierung. Die angesetzten Mittel von knapp 20 Millionen Euro stünden für andere Projekte vor allem im Ruhrgebiet zur Verfügung. Für die SPD ist das „verlogen“. Es gebe derzeit keine genehmigungsfähigen Projekte im Ruhrgebiet.
Der O.Vision-Beschluss sei nicht die erste Anti-Revier-Entscheidung von Schwarz-Gelb: „Die Landesregierung hat für 2006 die Mittel zur Strukturförderung schon um 30 Millionen Euro gekürzt“, so der Duisburger SPD-Abgeordnete Ralf Jäger. Oberhausens SPD-Oberbürgermeister Klaus Wehling sprach nach der O.Vision-Entscheidung von einem „schwarzen Tag für das Ruhrgebiet“, SPD-Parteimanager Michael Groschek unterstellte der Regierung gar einen „Feldzug gegen das Kernruhrgebiet“.
Ein Komplott gegen den Pott? Egal ob wahr oder falsch, die SPD-Thesen treffen. Denn schon traditionell wähnt sich das Revier von der Obrigkeit benachteiligt: Wollte nicht schon Kaiser Wilhelm einst keine Kasernen und Universitäten im Pott? Weshalb gibt es so wenig Regierungsbehörden zwischen Duisburg und Dortmund? Warum wird Schalke nie Meister?
Parteipolitisch ist der Streit um O.Vision jedenfalls ein gefundenes Fressen für die NRW-SPD. Obwohl mit Ex-Finanzminister Jochen Dieckmann ein Rheinländer die Sozialdemokraten führt, betrachtet die neue Oppositionspartei das Revier stärker denn je als ihre Machtbasis. Aus dem roten Herzland an der Autobahn 40 soll in den nächsten Jahren der Marsch zurück an die Macht in Düsseldorf organisiert werden.
Während NRW-SPD-Generalsekretär Groschek im taz-Interview (siehe unten) sogar noch nachlegt, reagiert die CDU ziemlich defensiv auf die Attacken der Opposition. NRW-Bauminister Oliver Wittke (CDU) äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Thema. Der frühere Gelsenkirchener Oberbürgermeister gilt neben Bundestagspräsident Norbert Lammert (Bochum) als wichtigster Politiker der CDU im Revier. CDU-Bezirksverbandschef Lammert sprach auf taz-Anfrage knapp von „absurden Fehleinschätzungen“ der SPD. Einen weiteren Kommentar lehnte er ab.
“Die neue schwarz-gelbe Landesregierung versucht offenbar, auch andere Landesteile stärker zu fördern“, sagt Klaus Dörre vom Forschungsinstitut Arbeit und Bildung Partizipation (FIAB) in Recklinghausen. „Weil das Revier den wirtschaftlichen Turnaround nach der Strukturkrise noch nicht geschafft hat, gibt es aber weiter einen erhöhten Förderungsbedarf“, sagt der Soziologe. Parteipolitisch könne die CDU kein Interesse haben, den Pott zu schwächen: „Sie stellt ja hier in wichtigen Städten wie Duisburg oder Essen den Bürgermeister.“ Wenn es so wäre, dass die Landesregierung das Ruhrgebiet überginge, würde dies der CDU schaden, glaubt Dörre.