: Die Rebellion der Euro-Skeptiker
GROSSBRITANNIEN Ein Drittel der eigenen Abgeordneten stimmt gegen die EU-Politik des britischen Premiers
DOUGLAS CARSWELL, EU-GEGNER
VON RALF SOTSCHECK
DUBLIN taz | Die EU-Gegner unter den britischen Tories treiben ihren Premierminister immer mehr in die Enge. David Cameron hatte im Januar versprochen, bis spätestens 31. Dezember 2017 ein Referendum über Großbritanniens Verbleib in der Europäischen Union abzuhalten. Doch viele Hinterbänkler der Partei trauen ihrem Chef nicht. Ihre Befürchtungen schienen sich zu bestätigen, als Königin Elisabeth vorige Woche vor dem Oberhaus Camerons Regierungserklärung verlas und der Volksentscheid darin nicht vorkam. Jetzt sind sie sie in die Offensive gegangen. 114 der 305 Tory-Abgeordneten haben am Mittwochabend gegen die Regierungserklärung gestimmt. Zwar wurde sie dennoch abgesegnet, aber das Votum zeigt die tiefe Spaltung der Tories.
Cameron hatte am Tag vor der Parlamentsabstimmung schnell noch den Entwurf für ein Referendumsgesetz vorgelegt und beteuert, dass er dieses Gesetz längst verabschiedet hätte, wenn die Tories allein an der Macht wären. „Das können wir aber nicht, weil wir in einer Koalition sind“, fügte er hinzu. Und die Liberalen Demokraten spielen nicht mit.
Die Rebellion der Hinterbänkler konnte Cameron damit nicht verhindern, die EU-Gegner wollen das Gesetz sofort. Ihnen blieb nun der Weg über eine „Private Member’s Bill“. Das sind Gesetzesvorschläge, die von Abgeordneten und Lords, aber nicht von Ministern eingebracht werden können. Prompt hatten die Rebellen am Donnerstag auch noch Losglück. 440 Abgeordnete hatten sich darum beworben, dem Parlament einen Gesetzesvorschlag vorlegen zu dürfen. An erster Stelle wurde der EU-Gegner James Wharton ausgelost. Er versprach sogleich, das EU-Referendumsgesetz einzubringen. Der Wortführer der EU-Gegner, Douglas Carswell, jubelte: „Seht nur, wer die Auslosung gewonnen hat! Jetzt kommt es zur Unterhausabstimmung über ein EU-Referendum. Gott muss ein Euroskeptiker sein.“
Das Gesetz wird vermutlich an der Labour Party und den Liberalen scheitern. Für Cameron wäre das die günstigste Lösung. Er könnte argumentieren, dass er alles versucht habe, aber an den Liberalen nicht vorbeikam. Der seit Monaten offene Zwist lässt viele an Camerons Führungsqualitäten zweifeln – zum unverhohlenen Vergnügen der Labour-Opposition. Schon die Tory-Premiers Margaret Thatcher und John Major mussten wegen des innerparteilichen Streits über die EU gehen. Cameron schlägt von vielen Hinterbänklern nur noch Verachtung entgegen. Sie fürchten die rechte United Kingdom Independence Party (Ukip), die mit ihrem Programm gegen EU und Immigration laut Umfragen auf einen Stimmenanteil von 18 Prozent kommt. Damit könnte sie zum ersten Mal Abgeordnete ins Unterhaus schicken, was die Chancen auf eine zweite Amtszeit der Koalition erheblich schmälern würde.
Es sind aber nicht nur die Hinterbänkler, die um ihre Mandate in wackeligen Wahlkreisen fürchten. Auch Bildungsminister Michael Gove und Verteidigungsminister Philip Hammond sagten, sie seien für den EU-Austritt. Cameron hat dagegen betont, er werde für einen Verbleib Großbritanniens in der Union kämpfen. Es werden aber immer weniger, die ihn dabei unterstützen wollen.