: Souverän gestrandet
Das Performer Trio „ÇÖP – Kulturmassnahmen“ zeigt auf Kampnagel seine „Show des Scheiterns“
von Katrin Jäger
Wer scheitert, ist ein Versager – das war einmal. Scheitern ist menschlich, lehrreich und kann durchaus sympathisch sein. So sieht es das Berliner Performance-Trio „ÇÖP – Kulturmassnahmen“, bestehend aus Sebastian Orlac, Boris Jöns und Thorsten Schwarz. Ihre „Show des Scheiterns“ tourt bereits seit fünf Jahren durch Deutschland – mit Erfolg.
Jetzt gastiert die Veranstaltung in der Hamburger Kampnagelfabrik. Wie immer werden drei Referenten von ihren misslungenen Projekten erzählen. „In den Geschichten geht es unter anderem um die Gründung eines Begleitservices für Freaks und um eine gescheiterte Idee bezüglich der Frage, wie man unverkäufliche Kunst aus Kellern und Dachböden verwerten könnte. Die dritte ist eine Überraschung“, sagt Boris Jöns.
Die Hamburger Referenten haben sich bei „ÇÖP – Kulturmassnahmen“ beworben, wie sich auch die Gäste der voyeuristischen Nachtmittagstalkshows im Fernsehen bewerben. Auch sie sind gescheitert, meist in der Beziehung oder beim Abnehmen, und werden nach Strich und Faden vorgeführt. Doch genau dies liegt den Machern der „Show des Scheiterns“ fern. „Wir machen das Gegenteil, wir laden unsere Gäste ein, weil wir sie und ihre Geschichten mögen, wir feiern sie für ihren Mut, etwas gewagt zu haben“, erklärt Boris Jöns.
Die Darstellung des Scheiterns begreifen die Performer als rituellen Abschied von misslungenen Projekten, als Befreiung vom Ideen-Ballast durch dessen feierliche Vernichtung. Bisher habe niemand die Teilnahme an der Show bereut, eher im Gegenteil, erläutert Jöns. Das Publikum lache nicht über die Vortragenden, sondern mit ihnen – gemeinsam, erfreue sich am performativen Akt. Dabei spielt der Wiedererkennungswert eine große Rolle: Eine sympathische Geschichte über ein gescheitertes Projekt kann die Zuschauer dazu anregen, ihre eigenen gescheiterten Projekte mit Nachsicht zu betrachten und zu bewerten. Das hoffen zumindest die drei Veranstalter.
Betroffenheitsrhethorik jedenfalls ist in der „Show des Scheiterns“ nicht angesagt. Dafür sorgt der Experte. Heute Abend auf Kampnagel wird das der polnische Philosoph Dr. Piotr Olzowka sein. Die Veranstalter schätzen ihn „für seinen scharfsinnigen und gleichzeitig humorvollen Blick auf die Welt“. Seine ironische These lautet: „Von Polen lernen, heißt Scheitern lernen.“ Das klingt zunächst pessimistisch, macht Polen doch gerade einen Schwenk in Richtung rechts-konservativer Abschottungspolitik. Es kann also nicht sein, dass das Scheitern eines Projektes stets ein neues, besseres, nach sich zieht. Andererseits ist vielleicht – hoffentlich – auch der aktuelle polnische Rechtsruck alsbald dem Scheitern anheim gegeben. Denn das Misslingen öffnet auch für Neues – wie auch immer das dann aussieht. Auf Kampnagel geht es denn auch eher um das Scheitern individueller Projekte als um das politischer Regimes: Steckt man den Kopf in den Sand vor lauter Scham, stürzt man sich in blinden Aktionismus oder findet man einen konstruktiven Umgang mit der Situation? Was die Show tatsächlich leistet: Sie bricht das Tabu, nicht über misslungene Projekte zu sprechen. Sie macht so klar, dass das Scheitern eine ganz menschliche Angelegenheit ist, und das Sprechen darüber sogar unterhaltsam sein kann.
Die Einbettung der bekennenden Rede in ein künstlerisches Setting lockert außerdem auf, ermuntert zu Selbstironie, auf jeden Fall zur Distanz zu sich selbst als Gescheitertem, man ist gleichzeitig Künstler und Held für einen Abend. Für Unterhaltung sorgt das musikalische Rahmenprogramm. Das Berliner Orchester Kapaikos spielt einige Lieder zur Einstimmung. Schräge Mandolinenklänge sind das, folkloristisch, schrabbelig, liebenswert. Sebastian Orlac von „ÇÖP – Kulturmassnahmen“ wird am Anfang und am Ende der Show singen und als Moderator ins Prozedere einführen.
Wer selbst seine Geschichte über ein gescheitertes Projekt zum Besten geben will, kann sich für die kommenden Shows in Berlin, Wien und Linz als ReferentIn bewerben. Übers Internet unter www.show-des-scheiterns.de
Do, 19.1., 21 Uhr, Kampnagel