: Finanzierung bei Erfolgsgarantie
QUALIFIZIERUNG Die Weiterbildungsförderung der Berliner Arbeitsagenturen und Jobcenter orientiert sich seit 2013 an der Bildungszielplanung und fußt auf Arbeitsmarktprognosen
VON CONSTANZE NAUHAUS
In Sachen Arbeitsamt gibt es eigentlich nichts, zu dem Heike M. nicht etwas zu erzählen hat. Seit 1991 hangelt sich die heute 52-jährige Kulturwissenschaftlerin von Maßnahme zu Maßnahme. ABM, SAM, MAE, doch ein zählbarer Erfolg blieb aus. Irgendwann hatte auch sie den Eindruck, es ginge bei den Maßnahmen allein darum, die Arbeitslosenzahlen zu schönen.
Nun, nach über 20 Jahren, hat die Berlinerin zum ersten Mal Frieden mit dem Amt geschlossen. Ihr Antrag auf Kostenübernahme für eine Weiterbildung zur systemischen Therapeutin wurde im Herbst letzten Jahres nach elf Monaten Wartezeit bewilligt. „Last minute“, wie ihr der Mitarbeiter des Jobcenters versicherte. Denn es stünden „Umstrukturierungen“ ins Haus.
Heute ahnt Heike M., was diese kryptischen Andeutungen ihres Sachbearbeiters zu bedeuten hatten. Die Bildungszielplanung 2013 nahte. Diese Planung bildet die Grundlage für die berufliche Weiterbildungsförderung. Aus Marktbeobachtungen und -prognosen von Arbeitsagenturen, Jobcentern und regionalen Partnern wird ein Katalog mit Qualifizierungsschwerpunkten erstellt, basierend auf dem regionalen Fachkräftemangel. In der aktuellen Planung finden sich etwa Umschulungen zum Altenpfleger, Steuerfachangestellten oder Schweißtechniker. Entscheidet man sich als „Kunde“ von Arbeitsagentur oder Jobcenter für eine dieser Maßnahmen, bekommt man dafür mit Sicherheit einen Bildungsgutschein.
Doch werden diese nach Adam Riese dann nicht an anderen Stellen gekürzt? „Wir kürzen gar nichts“, versichert Dietmar Allenstein, Teamleiter des Bereichs Arbeitsvermittlung in der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte. Nach wie vor könnten Kostenübernahmen auch für andere Maßnahmen erwirkt werden. Wenn man nachweisen kann, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Beschäftigungserfolg führen. Wie das nachzuweisen ist, verrät der Teamleiter allerdings nicht – nur dass Übernahmegarantien von Arbeitgebern nicht rechtswirksam seien. Die Planung sei keine Vorgabe, sie diene lediglich der Orientierung.
Sabine Taubenheim vom Forum Berufsbildung, einem Berliner Bildungsträger, findet den Ansatz durchaus sinnvoll. Grundsätzlich begrüßt sie, „dass nicht irgendwas gefördert wird, was nicht gebraucht wird“. Doch die reine Konzentration auf Bildungsziele erscheint ihr falsch. „Eine Weiterbildung ist auch für andere Dinge wichtig: aufstehen, losgehen, Leute kennenlernen, Integration ins Leben. Für die Nachhaltigkeit der gesamten Gesellschaft ist es schlimm, wenn immer mehr Menschen nicht mehr dazugehören.“
Streben wir einer arbeitspolitischen Monokultur bei der Weiterbildungsförderung entgegen? So abwegig ist das nicht. Denn nur diejenigen, die in ein bestimmtes Berufsprofil passen, auf Agenturdeutsch „vermittelbar sind“, haben eine Chance. Wenn nun das Spektrum an geförderten Berufen kleiner wird, so wird es auch die Liste an gefragten Fähigkeiten. Ob eine derart restriktive Planung nicht ein wenig an die Berufslenkung in der DDR erinnere? „Mit Planwirtschaft hat das nichts zu tun“, widerspricht Dietmar Allenstein von der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte. „Denn letztendlich entscheidet ja der Kunde über seine Berufs- und Lebensplanung.“
Es ist gleichwohl ein offenes Geheimnis, dass diese vermeintliche Entscheidungsfreiheit kaum jemandem zu Gebote steht, der Arbeitsagentur oder Jobcenter um eine Finanzierung ersucht. Angesichts der Kosten für eine Weiterbildung wird der Blick auf den eigenen Kontostand fast jeden dazu zwingen, sich für ein „Produkt“ aus dem Bildungszielkatalog zu entscheiden. Denn, wie Dietmar Allenstein einräumt, „wer ein Produkt auswählt und sich dabei strategisch nicht am Arbeitsmarkt orientiert: bitte, aber ohne unsere Unterstützung. Wir unterscheiden uns da nicht von anderen Unternehmen. Wir wollen, dass für uns und unsere Kunden unterm Strich was herauskommt.“
Produkt, Unternehmen, Kunde. In der Sprache der Mitarbeiter spiegelt sich, wie auch in der Bildungszielplanung, das wirtschaftliche Handeln wider, zu dem die Agentur angehalten wird. Doch ob Wirtschaftlichkeit, in deren Zeichen der Broterwerb die persönliche Entwicklung des Menschen ins Abseits spielt, die einzige Arbeitsrichtlinie einer öffentlichen Behörde sein sollte, bleibt fraglich.