Problemfall Gymnasium

Vertiefter Blick in LAU-Studie offenbart: Gymnasien haben die meisten Abiturienten mit Mathe-Schwäche. Streit im Schulausschuss

Wichtige Weichen sind bereits vor Jahren gestellt worden

von Kaija Kutter

Es gibt Titel, die sind verheerend. „Abi am Gymnasium mehr wert als an Gesamtschule“, schrieb das Abendblatt, nachdem Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) vergangene Woche erste Ergebnisse der im April 2005 vorgenommenen „Lernausgangsuntersuchung“ (LAU) in Mathematik und Englisch für die 13. Klassen vorgestellt hatte (taz berichtete).

Verglichen wurden für diese Zusammenfassung die Mittelwerte der beiden Schulformen – und festgestellt, dass die Gesamtschulen am Ende von Klasse 13 in mathematischer Grundbildung nur das Ergebnis der Gymnasien in Klasse 11 erreichten. Auch die übrigen Springer-Zeitungen zerissen die Gesamtschulen in der Luft.

Genau für den getesteten Jahrgang indes gab es erstmals ein Zentralabitur, und die Klausuren wurden anonymisiert korrigiert. Die Frage, wie sich die LAU-Daten nun zum Zentralabitur verhalten – und welches Ergebnis auch im Ländervergleich gut oder schlecht ist –, wird erst im März in einem ausführlichen Bericht geklärt werden.

Die Sache hatte am Dienstag ein Nachspiel im Schulausschuss. GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch wollte von Dinges-Dierig wissen, weshalb sie so kurz vor der Anmelderunde mit dem vorläufigen Bericht an die Öffentlichkeit gegangen sei. „Weil wir die Ergebnisse hatten“, konterte die Senatorin. Hätte sie diese erst im April veröffentlicht, wäre ihr dies auch wieder vorgeworfen worden, so Dinges-Dierich.

Goetsch zeigte sich nach einem Vortrag der Lau-Ergebnisse durch Behördenreferent Jan Poerschke allerdings „beruhigt“. Berichtete dieser doch, dass rund 70 Prozent der insgesamt 5.008 in Mathe getesten Schüler in einem „breiten Mittelfeld“ lägen. Das fand die Grüne „erfreulich“.

Dargestellt sind die Leistungen der einzelnen Schulformen auf so genannten „Pezentilbändern“. Die taz zog nun eine vertikale Linie auf diesen Skalen und kommt zu dem Schluss, dass etwa ein Drittel – 32,5 Prozent – der Gymnasiasten in Mathe schlechter sind als der Durchschnitt der Gesamtschüler. In absolute Zahlen umgerechnet, sind das mehr als 1.000 Schüler, während an Gesamtschulen 380 den eigenen Durchschnitt unterschreiten.

Ein Problem sind die Schüler am Ende der Skala, die im Test nur eine leichte Prozentrechenaufgabe bewältigten. Auch hier kommt eine Umrechnung in absolute Zahlen zu dem verblüffenden Ergebnis, dass es 266 schwache Schüler an Gymnasien gibt – und 266 an Gesamtschulen, Aufbaugymnasien, Wirtschaftsgymnasien und Technischen Gymnasien zusammen. Der Endbericht soll auch erhellen, welche Schulen erfolgreich arbeiten, um daraus Schlüsse für einen besseren Unterricht zu ziehen.

Wichtige Weichen wurden allerdings bereits vor Jahren gestellt. So wurde der in den Klassen 5, 7, 9, 11 und 13 getestete LAU-Jahrgang 1991 eingeschult und hatte damals in der Grundschule die bundesweit zweitgeringste Stundentafel. Kinder, die unter den Bedingungen der erst 1994/95 eingeführten Verlässlichen Halbtagsschule unterrichtet wurden, hatten ihnen gegenüber in der „Kess“-Grundschulstudie (2003) in Klasse 4 bereits ein Jahr Lernvorsprung in Mathematik. Im Bundesvergleich belegten diese Schüler nach Baden-Württemberg und vor Bayern den zweiten Platz. Ob sie auch noch in Klasse 7 gut lernen, wird – wahrscheinlich im Mai – die neue „Kess7“-Studie zeigen.