Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Es war wohl die Arbeit für das Theater von Max Reinhardt, die Pola Negri zur Bekanntschaft mit dem aufstrebenden Filmregisseur Ernst Lubitsch verhalf, für den die polnische Schauspielerin in Folge immer wieder vor der Kamera stand. Ob als verführerische „Carmen“ in der Verfilmung der Novelle von Prosper Mérimée, als Madame Dubarry, die in der Französischen Revolution den Kopf verliert, oder als fesche Räubertochter in der Groteske „Die Bergkatze“: Es waren meist die „exotischen“ Frauen, die von der exaltierten Mimin mit den zerzausten schwarzen Haaren verkörpert wurden. Auch neben dem durchweg amüsanten Spiel der Negri als durchtriebenes Naturkind bietet „Die Bergkatze“ noch allerhand Staunenswertes: ein vollkommen stilisiertes Dekor (mit einer Grenzfestung, die wie ein überdimensioniertes Spielzeug im Schnee aussieht), gewagte Bildcaches (etwa in Form von Schlangenlinien, einem Mund oder einem schrägen Oval), Räuber, die „Üb immer Treu und Redlichkeit“ singen, und natürlich Lubitschs charmant-boshaften Humor: „Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen meine Frau vorstelle.“
„The Man Who Knew Too Much“ nimmt im Werk Alfred Hitchcocks eine Sonderstellung ein, da es sich um den einzigen Filmstoff handelt, den der Regisseur zweimal verfilmte: Die erste Version (mit Leslie Banks und Peter Lorre) entstand 1934 in England, die wesentlich bekanntere zweite 22 Jahre später in Hollywood. Während sich die Geschichte vom Ehepaar, dessen Kind gekidnappt wird, weil die Familie zufällig erfahren hat, dass ein Staatsmann während eines Konzerts in der Royal Albert Hall ermordet werden soll, kaum veränderte, künden die beiden Filme doch von völlig verschiedenen Mentalitäten: Der frühe Film ist temporeicher, witziger, und die Kontrahenten gehen – very british – ausnehmend höflich miteinander um. In der Version von 1956 hingegen spielt James Stewart den Vater als einen durchaus arroganten Kulturbanausen, der sich mit dem Motto „Ich bin amerikanischer Staatsbürger, was soll mir schon passieren“ durch die Welt bewegt und sich nach der Entführung seines Kindes in heiligen Zorn hineinsteigert. Allzu viel richtet er jedoch eigentlich nicht aus – es ist eher die mutige Doris Day, die den Agenten die finale Schlappe beibringt. Zwischendurch singt sie mit „Que sera“ das bekannteste Fatalistenlied aller Zeiten.
1998 gelang dem Regisseur Michel Ocelot die Umsetzung eines westafrikanischen Märchens in einen sehr gelungenen Zeichentrickfilm für Kinder: Der kleine Kiriku kommt dem Geheimnis der Zauberin Karaba auf die Spur und befreit sein Dorf von ihrem Terror. Die Charaktere in „Kiriku und die Zauberin“ überzeugen, die Hintergründe erinnern an naive Malerei, und den Schauplätzen werden schöne klare Farben zugeordnet: von den warmen Erdfarben des Dorfes und der Savanne bis zum leuchtenden Grün des Urwaldes. Und ganz nebenbei stellt Kiriku, der allen Dingen mit der Frage nach dem „Warum?“ auf den Grund geht, auch alberne Rollenklischees und Aberglauben in Frage. LARS PENNING