: Europaparlament für EU-Steuer
Deutliche Mehrheit der Abgeordneten lehnt das Finanzpaket, auf das sich die 25 Mitgliedsstaaten im Dezember geeinigt hatten, ab und fordert Nachverhandlungen
BRÜSSEL taz ■ Mit einer Ankündigung im Spiegel weckte der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament große Erwartungen: „Das Parlament wird den Kompromiss stoppen“, sagte Martin Schulz auf die Frage, ob er das Finanzpaket 2007 bis 2013 mittrage, das auf dem EU-Gipfel im Dezember mühsam ausgehandelt worden war. Tatsächlich stimmten gestern 541 Abgeordnete für eine Entschließung, die den Kompromiss ablehnt.
Das bedeutet aber nicht, dass sich am Finanzdeal der 25 Staats- und Regierungschefs noch viel ändern wird. Denn auf den zweiten Blick enthält der gestern sowohl von Sozialisten wie Konservativen mit beschlossene Text neben viel verbalem Gepolter klare Hinweise darauf, was das Parlament in den nun anstehenden Verhandlungen mit Rat und Kommission erreichen will.
Die Zahlungswilligkeit der Regierungen ist im Dezember bis an die Obergrenze ausgereizt worden. Deshalb wird sich das Europaparlament bei der heiklen Frage, wie viel Geld für welche Zwecke bereitgestellt wird, mit kosmetischen Änderungen zufrieden geben. Denn Spielraum für Umschichtungen gibt es ebenfalls nicht: Die Agrarmittel dürfen nicht angetastet werden. Wer mehr für Forschung und Bildung ausgeben will, müsste bei der Strukturförderung sparen. Das würde die neuen Mitgliedsländer schädigen und in vielen Wahlkreisen die Wähler verprellen.
Deshalb wird sich das Parlament am Ende wohl mit dem begnügen, was der Verhandlungsführer des Rates, der österreichische Kanzler Wolfgang Schüssel, bereits gestern in Straßburg in Aussicht stellte: drei Milliarden mehr für die so genannte Flexibilitätsreserve, mit der unvorhergesehene Ausgaben vor allem in der Außenpolitik finanziert werden. „Da liegt Spielraum drin“, versprach Schüssel. Er sieht außerdem die Möglichkeit, dass die Europäische Investitionsbank für Forschungsprojekte zusätzlich 10 Milliarden Euro an Darlehen vergibt.
Einen Nachschlag von 3 Milliarden Euro erreichte das Parlament auch beim letzten Verhandlungspoker dieser Art. 1999 mussten sich die drei Institutionen über die Agenda 2000 einigen, die bei einem Sondergipfel in Berlin gestrickt worden war. Auch damals floss das Geld in die Flexibilitätsreserve und wurde in den kommenden Jahren für Katastrophenhilfe, Nachbarschaftsprogramme, Terrorbekämpfung und viele andere dringende Projekte gebraucht.
Der gestern beschlossene Text macht aber auch klar, dass sich die Abgeordneten nur dann mit einem mageren Nachschlag begnügen werden, wenn ihnen bei der Haushaltsreform 2008 ein Mitspracherecht garantiert wird. Nächstes Jahr läuft die so genannte interinstitutionelle Vereinbarung zwischen den drei EU-Institutionen aus. Da es bis dahin keine Verfassung geben wird, die das Haushaltsverfahren neu regeln würde, muss diese neu ausgehandelt werden. Die Abgeordneten wollen ihre Mitspracherechte stärken.
Und sie wollen sicherstellen, dass das unwürdige Finanzgezerre zwischen den Regierungen aufhört. Dabei werde das Geld nicht dort eingeplant, wo es gebraucht werde, sondern so, dass eine Regierung zu Hause punkten könne. Deshalb will das EU-Parlament erreichen, dass das Brüsseler Poker ums Geld durch eine EU-Steuer ersetzt wird. Dann könnte auf europäischer Ebene ähnlich gewirtschaftet werden wie mit einem nationalen Budget. Doch hier dämpfte Schüssel die Erwartungen. Erst 2008 werde sich die Kommission im Rahmen der Haushaltsreform auch mit dieser Frage befassen. DANIELA WEINGÄRTNER