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Archiv-Artikel

Mehr Konkurrenz für die Post

BRIEFE Nach dem Urteil zum Branchenmindestlohn wollen die Wettbewerber der Deutschen Post expandieren. Die wiederum baut das Geschäft mit ihrer Billigtochter First Mail aus

Internet-Brief kommt

Marktführer auf dem Briefmarkt ist die Deutsche Post AG, an der die staatseigene KfW-Bankengruppe mit rund 30 Prozent beteiligt ist. Der Rest befindet sich in Streubesitz. Mitte des Jahres will die Post ihren Internetbrief auf den Markt bringen. Dies betreffe sowohl die per Internet eingesandten Briefe, die dann von Postboten zugestellt würden, als auch komplett elektronisch übermittelte Briefe, so ein Sprecher. Preise nannte er nicht. Medien hatten über 22 Cent für den E-Mail-Brief spekuliert. (taz)

VON RICHARD ROTHER

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht den flächendeckenden Mindestlohn in der Briefbranche gekippt hat, wollen die Konkurrenten der Deutschen Post AG ihr Geschäft schnell ausbauen. „Dieser Gerichtsentscheid bedeutet grünes Licht für die Schaffung neuer Arbeitsplätze“, so Florian Gerster, Chef des Arbeitgeberverbandes der Postkonkurrenten. Die Post sieht ihre Position nicht in Gefahr, drängt aber mit ihrer Billigtochter First Mail auf den Markt für preisbewusste Großkunden.

Ende Januar hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass der Postmindestlohn von 9,80 Euro pro Stunde für Briefzusteller nichtig sei. Grund war ein Verfahrensfehler des Bundesarbeitsministeriums. Faktisch wurde der Postmindestlohn aber ohnehin nicht durchgesetzt, da die Behörden mit Verweis auf anhängige Gerichtsverfahren Verstöße nicht ahndeten.

„Das Urteil ist ein wichtiger Schritt zu mehr Wettbewerb“, sagt Jeannine Böhrer-Scholz, Sprecherin der TNT Post Deutschland, des größten Konkurrenten der Post. Derzeit habe TNT mit seinen rund 6.000 Beschäftigen in Deutschland einen Marktanteil von 2 bis 3 Prozent, mittelfristig seien 10 bis 15 Prozent erreichbar. „Dazu bauen wir unsere Allianz mit führenden Verlagen aus.“ Nun könnten Kunden mit ihrem regionalen Postdienstleister auch bundesweit versenden. Neben dem Mindestlohn ist TNT Post auch die Mehrwertsteuerbefreiung der Deutschen Post ein Dorn im Auge. Diese wird der Post gewährt, da sie auch entlegene Orte täglich beliefert. „Das Umsatzsteuerprivileg der Post ist ein Wettbewerbsnachteil für uns“, so Böhrer-Scholz. Es müsse so schnell wie möglich fallen.

Als Lohndumping-Unternehmen sieht Böhrer-Scholz TNT Post aber nicht. „Wir sind für einen Mindestlohn.“ 9,80 Euro pro Stunde seien aber nicht realisierbar. Bei TNT gelte ein Haustarifvertrag mit einer christlichen Gewerkschaft, der 7,60 Euro pro Stunde vorsehe. Immerhin seien 75 Prozent der Kosten Personalkosten. „Wenn sich unser Sendungsvolumen erhöht, könnten auch die Löhne steigen.“

Ver.di: „Auf dem Postzustellmarkt sehen wir extreme soziale Verwerfungen“

In Berlin hat das Leipziger Urteil bereits Opfer gefunden. Die rund 1.000 Beschäftigten des Postdienstleisters Pin Mail AG verdienen seit Anfang Februar weniger Geld. Das Unternehmen hat die Stundenlöhne von 9,80 Euro auf 8,50 Euro gesenkt. „9,80 Euro sind lebensbedrohend für unsere Firma gewesen“, so Pin-Vorstand Axel Stirl. Auch nach der jetzigen Lohnsenkung würden die Beschäftigten noch mehr verdienen als vor der Einführung des Mindestlohnes. Größter Auftraggeber der Pin AG ist das rot-rot regierte Land Berlin. Der Vertrag über die Zustellung von Behördenpost läuft im September aus.

„Für den Wettbewerb wird der Mindestlohn überschätzt“, so Post-Sprecher Uwe Bensien. Es seien auch Konkurrenten pleitegegangen, die diesen nicht gezahlt hätten. Durch das Mindestlohn-Urteil ändere sich für die Post erst einmal nichts. Gleichwohl will die Post derzeit mit ihrem Anbieter First Mail expandieren – und dessen Zustellgebiet vom Großraum Düsseldorf auf das Ruhrgebiet ausweiten. „Es gibt sehr preisbewusste Großkunden, auch Behörden“, so Bensien. Mit First Mail sei man nun in der Lage, entsprechende Ausschreibungen zu gewinnen. Die Post könne so zusätzliches Geschäft in den Konzern holen, das bislang an Konkurrenten gegangen sei. Der Preis dafür: Während bei der Post je nach Dienstzugehörigkeit Stundenlöhne von 12 bis 16 Euro gezahlt werden, kriegen die knapp 200 Beschäftigten bei First Mail die 9,80 Euro des bisherigen Branchenmindestlohns. Bensien: „Dabei bleibt es auch.“

Kritik an einer möglichen Absenkung der Löhne in der Postbranche übt Cornelia Haß, Sprecherin der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. „Wenn der Mindestlohn wie gefordert auf 6 Euro bis 8,50 Euro abgesenkt wird, zahlen die Postboten für die Gewinne der Unternehmen.“ Da der Zustellmarkt insgesamt nicht wachse, werde der Wettbewerb nur zu einer Kannibalisierung führen. „Schon jetzt sehen wir hier extreme soziale Verwerfungen.“ Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sei jetzt am Zug, entgegenzusteuern. Ver.di sei gesprächsbereit.