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Archiv-Artikel

Agenten im Visier

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Es sollte, endlich einmal, ein Tag der Aufklärung werden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und BND-Chef Ernst Uhrlau vor dem Auswärtigen Ausschuss, die BND-Agenten Reiner M. und Volker H. vor dem geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium – sie alle sollten das Halbwissen über die umstrittenen Aktivitäten des deutschen Geheimdienstes während des Irakkrieges in Bagdad vermehren.

Am Ende des Tages standen nur ein paar mühsam gewonnene Informationen, das überraschende Schweigen des Außenministers und geheim eingestufte Aussagen der BND-Agenten zu Buche. Begonnen hatte es mit der Weigerung Uhrlaus, vor dem Auswärtigen Ausschuss zur BND-Affäre überhaupt Stellung zu nehmen. Er sei eingeladen worden, um über den Iran zu sprechen, verteidigte sich der BND-Chef. Von der Linkspartei bis zur SPD waren alle Abgeordneten empört. Der Ausschussvorsitzende Ruprecht Polenz (CDU) forderte Uhrlau daraufhin auf, einen Sachstandsbericht über die Geheimdienstaktivitäten in Bagdad zu geben.

Uhrlau referierte knapp 15 Minuten, Nachfragen waren nicht möglich. Er verteidigte die Entscheidung, kurz vor dem Irakkrieg zwei Agenten des BND nach Bagdad zu schicken. Ihre Aufgabe: unabhängige Informationen über die Lage im Land zu beschaffen. Uhrlau, damals Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, erklärte, die rot-grüne Regierung habe den Austausch mit den US-Geheimdiensten auch während des Krieges fortgesetzt. Die zwei BND-Agenten hätten Informationen über „non-targets“, also nicht zu bombardierende zivile Einrichtungen, an US-Stellen weitergeleitet – aber nicht auf direktem Weg, sondern ausschließlich über die BND-Zentrale in Pullach.

Uhrlau verteidigte seine Agenten damit gegen Vorwürfe, sie hätten sich möglicherweise nicht an die politische Linie der Regierung gehalten und quasi auf eigene Faust Informationen an die Amerikaner geliefert. Entsprechende Medienberichte bezeichnete er als „unglaublich“. Der BND sei in keinem einzigen Fall in die operative Kriegsführung der USA eingebunden worden, auch nicht am 7. April 2003, als die US Air Force in Mansur einen vermeintlichen Aufenthaltsort Saddam Husseins bombardierte – angeblich nach vorheriger Erkundung des „Tatorts“ durch die BND-Agenten.

Steinmeier leistete in diesen Fragen keine weitere Aufklärung. Er referierte vor dem Ausschuss über eine Stunde zum Iran. Hinterher erklärte der Ausschussvorsitzende Polenz den überraschten Journalisten in aller Seelenruhe, eine Befragung Steinmeiers zur BND-Affäre habe gar nicht auf der Tagesordnung gestanden. Der BND-Chef habe dazu doch „ausführlich“ Stellung genommen. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass der BND sich an die politischen Vorgaben der Regierung gehalten hat“, sagte Polenz. „Dafür, dass die zwei Mitarbeiter zivile Einrichtungen vor Bombenangriffen schützten, haben sie eher einen Orden verdient als kritische Nachfragen.“

Nicht die politischen Vorgaben der Regierung, sondern das genaue Verhalten der zwei Agenten in Bagdad ist für den Grünen Jürgen Trittin „die zentrale Frage“ der BND-Affäre. „Es ist nicht geklärt, ob die Informationsweitergabe der Agenten ausschließlich über Pullach gelaufen ist.“ Der FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer hingegen prophezeite jetzt schon, dass die BND-Affäre im Untersuchungsausschuss nur noch eine „sehr kleine Rolle“ spielen werde. Er jedenfalls habe „keinen Anhaltspunkt“ für eine operative Zusammenarbeit der Agenten mit den US-Amerikanern.

Wolfgang Gehrcke von der Linkspartei nannte den zunächst schweigsamen Auftritt Uhrlaus „unverschämt und provokant“. In der Sache bleibt er bei seinem zentralen Vorwurf: „Das Benennen von Nichtangriffszielen ist gleichzeitig ein Benennen anderer Einrichtungen für Bombenangriffe.“