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Archiv-Artikel

Für ein anderes Afrika

Migranten, Gewerkschafter, Kamele und Tänzer: Das Forum in Mali verbindet Folklore und Politik

AUS BAMAKO HAKEEM JIMO

Kamele und Sattelschlepper stehen in Reihen. Traditionelle Maskentänzer des Dogon-Volkes bahnen den Weg für den Protestzug, als ob es gelte, eine Schneise durch die bösen Geister zu schlagen.

Die werden in diesen Tagen in Mali reichlich gescholten: Neoliberalismus, Globalisierung, Umweltzerstörung, Frauendiskriminierung und Rassismus. Die afrikanische Etappe des diesjährigen Weltsozialforums beginnt in der malischen Hauptstadt Bamako aber immerhin mit einer friedlichen Demonstration – ein seltenes Bild auf dem ärmsten Kontinent der Erde.

Der Ort der Eröffnungskundgebung symbolisiert die Widersprüche Afrikas: Es ist der „Platz der Unabhängigkeit“. Er liegt vor dem Kulturzentrum der einstigen Kolonialmacht Frankreich. Das bleibt nicht der einzige Widerspruch. Anhänger der „Polisario“ schwenken ihre Fahne für eine freie Westsahara und verlangen das Ende des Kolonialismus durch Marokko. 50 Meter weiter vorn dagegen zeigen andere Protestler voller Stolz die marokkanische Flagge – und fordern Solidarität mit Palästina. Zwischen Fahnen der französischen Gewerkschaft CGT und der französischen Kommunistischen Partei laufen malische Kinder und verkaufen Telefonkarten. Zwischen einem Banner von Frauen, die ein Ende der Diskriminierung für HIV- und Aidskranke fordern, bietet eine Malierin mit Kind auf dem Rücken den Demonstranten Papaya-Früchte an. Das Banner der traditionellen afrikanischen Mediziner trägt ein Italiener, entlang der offenen Kanalisation.

Die graue Eminenz dieses Weltsozialforums ist Aminata Dramane Traoré, ehemalige Ministerin und prominente Figur der Antiglobalisierungsbewegung. Sie hat ein paar Dutzend junge Männer mobilisiert, die erst kürzlich aus Nordafrika auf dem Weg nach Europa zurück nach Mali deportiert wurden. Die marschieren hinter ihr an vorderster Front, gleich hinter den Dogon-Tänzern und dem Sattelschlepper. Am Ende schließen drei Kamele die Protestmarsch ab, die dazu genötigt wurden, für einen fairen Handel mit Afrika auf die Straße zu ziehen.

Das Weltsozialforum findet dieses Jahr „polyzentrisch“ an drei Orten statt. Bamako gibt den Auftakt. Das soll „das Forum zu den Menschen bringen“, sagt Aminata Traoré der taz (siehe Interview). Ob dadurch der Kritik begegnet wird, die früheren Weltsozialforen hätten sich von den Menschen entfremdet?

„Ich hoffe, dass das Forum für uns in Mali etwas bewegt“, sagt die 20-jährige Wirtschaftsstudentin Mariam Diakité, die in Bamako lebt und deren Tante zu den Forumsorganisatorinnen gehört. „Jedenfalls sprechen die jungen Leute viel darüber. Eine gewisse Hoffnung breitet sich aus. Aber auch der Wunsch, dass es konkrete Folgen für unser Leben hat.“ Edward Asare vom „Centre for Informal Activities and Development“ aus Ghana verspricht sich „neue Kontakte“. Er ist mit finanzieller Hilfe der deutschen Rosa-Luxemburg-Stiftung angereist und arbeitet zum Thema Landlosigkeit. „Unsere Organisation arbeitet in vielen Teilen Afrikas, vor allem im südlichen. Aber auch in Westafrika haben wir ein immer größeres Problem mit Landlosen. Denn viele Landeigentümer, oft traditionelle Herrscher, verkaufen ihr Land lieber für mehr Geld an große Unternehmen.“

Über 600 Workshops sollen in Bamako stattfinden. Rund 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden erwartet, sagt Aminata Dikko, Mitglied des nationalen Organisationskomitees. Ob es tatsächlich so viele geworden sind? Bei der Demonstration zum Auftakt zogen nur etwa 5.000 Menschen durch die Stadt. Der überwiegende Teil der Forumsteilnehmer stammt aus Afrika – vor allem aus Mali und seinen Nachbarländern. Die meisten Weißen kommen aus Europa. Südamerikaner kommen nur vereinzelt vor, und auffallend wenige Gäste aus Asien haben den Weg nach Mali gefunden. Unbeeindruckt von dem Treffen verlegen chinesische Arbeiter am Hauptveranstaltungsort, dem Kongresszentrum in Bamako, auf der Terrasse neue Fliesen.

Es ist überraschend kühl für das Wüstenland Mali. Der trockene Harmattan-Wind bringt kühle Luft aus der Sahara. Klimaanlagen werden in den Seminarräumen nicht gebraucht. Einige Teilnehmer tragen sogar Jacken. In der Arbeitsgruppe „Neoliberalismus und Arbeitslosigkeit“ sprechen Gäste des südafrikanischen Gewerkschaftsdachverbandes Cosatu, Genossinnen aus dem Maghreb, aus Kenia, den USA und immer auch Frankreich. Gut drei Dutzend Interessierte haben sich eingefunden. Auch andere Veranstaltungen haben ähnlich geringe Besucherzahlen. Ein Nigerianer fragt zur allgemeinen Heiterkeit, was denn noch alles privatisiert werden soll: „Unsere Kinder und Frauen?“ Gelacht wird immer wieder.

Die gute Stimmung tröstet über offensichtliche organisatorische Mängel hinweg. Veranstaltungen finden gar nicht statt oder nicht da, wo sie eigentlich sollten, sondern am anderen Ende der Stadt. Tade Akin Aina von der Ford-Stiftung in Ostafrika will es im nächsten Jahr besser machen, wenn das Weltsozialforum wieder zentral stattfindet – in Kenias Hauptstadt Nairobi.

Draußen treffen sich unter einem offenen Unterstand malische Landarbeiter. Einer hält ein Plakat hoch: „Ihr habt unser Gold verkauft, dann die Baumwolle. Bleibt noch der Niger-Fluss.“ Das wollte sich Malis Präsident Amadou Toumani Touré, eigentlich selbst Vertreter der Zivilgesellschaft, wohl nicht anhören. Er flog lieber nach Gabun, zur erneuten Amtseinführung des dienstältesten afrikanischen Präsidenten Omar Bongo.