Die Leinwand der Woche
: Konkurrenz der Kicker

VORHANG AUF Wie Kultur-Veranstalter mit dem Champions League-Finale umgehen

Es gibt Menschen, für die ist das Glück 14 Quadratmeter groß. 14 Quadratmeter, so viel misst die Leinwand, die diesen Samstag zwischen zwei Werkshallen auf dem Gelände von Blohm + Voss im Hamburger Hafen steht. Es werden sich Leute vor der Leinwand versammeln, die das Finale der Fußball-Champions-League sehen wollen, Bayern gegen Dortmund, während außenrum das Elbjazz-Festival stattfindet.

Die Leute vor der Leinwand nehmen in Kauf, dass sie die Auftritte von The Notwist, Cakecia Benjamin und Tomasz Stanko verpassen. Ihnen ist egal, dass sie Eintritt für dieses Jazz-Festival bezahlt haben, um nun Fußball zu sehen. 51 Euro kostet das Tagesticket für das Elbjazz-Festival im Vorverkauf. Macht nichts. Wichtig is’ auf’m Platz.

Das Champions League-Finale wird einigen Kultur-Veranstaltern in die Quere kommen. Im Fall des Hamburger Elbjazz-Festivals hat sich Leiterin Tina Heine für die Leinwand entschieden, um „zerrüttete Ehen, zerbrochene Freundschaften, entzweite Liebende“ zu vermeiden. So steht es in der Pressemitteilung.

Die sanfte Ironie der Elbjazz-Macher hat einen wahren Kern: Das Festival wird vor allem von Leuten über 30 besucht, die häufig paarweise unterwegs sind. Sie sind womöglich froh über eine abendliche Pause, falls sie schon Nachmittags mit dem Besuch begonnen haben. Elbjazz, das bedeutet, in meist voll besetzten Barkassen und Bussen kreuz und quer durch den Hafen von Bühne zu Bühne zu jetten. Anstrengend und gehaltvoll zugleich.

Auch andernorts suchen Kultur und Fußball Wege der friedlichen Koexistenz. Am Schauspiel Hannover zum Beispiel hat am Samstag um 19.30 Uhr Dea Lohers Stück „Am Schwarzen See“ Premiere. Nebenan in der Cumberlandschen Galerie sollte eigentlich „Die Reise nach Petuschki“ laufen, die Vorstellung wurde aber verschoben. Statt dessen zeigt das Theater das Champions League-Finale. Der Hintergedanke ist auch hier, „dass sich Paare oder Gruppen je nach Interessenlage aufteilen können“, teilt das Schauspielhaus mit.

Die Premierengäste von „Am Schwarzen See“ werden nicht pünktlich zum Anstoß um 20.45 Uhr rüberkommen. Auch inhaltlich erwartet sie eine gewisse Fallhöhe: „Am Schwarzen See“ erzählt von zwei Paaren, deren halbwüchsige Kinder sich gemeinsam umgebracht haben. Nach Jahren treffen sich die beiden Paare wieder.

Einige Kilometer weiter auf der Expo-Plaza in Hannover treten am Samstag unter anderem Gentleman, Sean Paul und Cro auf. Das Festival heißt N-Joy Starshow und ist mit 25.000 Besuchern bereits ausverkauft. Eine Fußball-Übertragung werde es auf dem Festival-Gelände keine geben, sagt der Veranstalter.

Der Pop kommt – ausverkauft, wie er ist – ohne Fußball aus. Der Jazz und das Theater nicht: Hier zählt jeder Gast.  KLAUS IRLER