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Archiv-Artikel

„Das würde jetzt nicht mehr gelingen“

Krista Sager, Vizevorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, sprach beim Neujahrsempfang der Bremer Grünen über die „Reform des Föderalismus“. Im taz-Interview warnt sie Bremen davor, die Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern schon wieder neu verhandeln zu wollen

taz: Der 2004 ausgehandelte Länderfinanzausgleich ist bis 2019 gültig. Inzwischen haben rund zehn Länder bald keinen verfassungskonformen Haushalt mehr, drei ziehen sogar nach Karlsruhe. Kann das Finanzausgleichs-Gesetz also so lange halten?

Krista Sager, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen: Die Frage ist doch: Könnten neue Verhandlungen jetzt bessere Ergebnisse bringen als 2004? Wenn man sieht, wie schwierig es war, diese Vereinbarung für die Zeit bis 2019 hinzukriegen, dann kann ich aus Sicht von Bremen und Hamburg keinen Sinn darin sehen, dieses Paket jetzt wieder aufzuschnüren. Die Interessenlage der Beteiligten hat sich doch nicht geändert. Es war schwer genug, Nordrhein-Westfalen in eine Allianz mit den Stadtstaaten einzubinden. Das würde jetzt nicht mehr gelingen.

In den letzten Wochen diskutieren viele über Länderfusionen.

Das ist ein Thema, das immer mitläuft. Aber jeder weiß, dass ohne die beteiligten Länder da gar nichts läuft, vor allem ohne die Bevölkerung der betroffenen Länder. Das wird ja nicht in Bayern oder Baden-Württemberg entschieden.

Die niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat angeregt, das Grundgesetz insofern zu ändern.

Der hat in den letzten Jahren vieles angeregt, was jenseits der Realitäten liegt. Ich sage das nicht, weil Länderfusionen für mich ein Tabuthema wäre. Hamburg ist ja durchaus auf einem konstruktiven Weg mit Schleswig-Holstein. Aber das kann man nicht gegen die betroffenen Länder machen, nicht ohne eine Mehrheit bei der betroffenen Bevölkerung. Denen kann man nicht vorschreiben, wo ihre Perspektive liegt.

Bremen will vor Gericht eine dritte Sanierungshilfe erstreiten, obwohl die Verfassungsrichter 1999 klar gesagt haben, dass die Zuweisungen „spätestens im Jahre 2004 auslaufen“. Ist das realistisch?

Das kann ich nicht beurteilen. Ich werde auch nicht den Bremer Grünen erzählen, wohin die Reise gehen soll. Das müssen die für sich beantworten, in Bremen ist das ein schwieriges Thema. In Hamburg haben die Grünen schon seit Jahren die Idee eines Nordstaates mit Schleswig-Holstein positiv gesehen, aber Hamburg ist auch in einer anderen Position. Hamburg muss keine Angst haben, marginalisiert zu werden, für uns ist es eher attraktiv, dass wir den Vampirismus unseres Umlandes auf Kosten des Hamburger Landeshaushaltes überwinden könnten.

Niedersachsen gehört aus der Hamburger Perspektive nicht zum Nordstaat?

Das war noch nie so – auch wenn dies einige jetzt zur Diskussion stellen.

Spätestens im Jahr 2019 werden die Zinsen die Hälfte der Bremer Steuereinnahmen verschlingen, wenn nichts passiert.

Allen Gerüchten zum Trotz hat die große Koalition Bremen in dieser Frage nicht weiter helfen können. Im Gegenteil. Trotzdem hat Bremen in der Föderalismuskommission nicht die Interessen der finanzschwächeren Länder vertreten, sondern eins zu eins alles mitgemacht, was von Edmund Stoiber und aus Bayern kam.

Wie bitte? Waren Sie dabei?

Ja, und ich habe mich ehrlich gesagt an den Kopf gefasst. Der Chef der Bremer Senatskanzlei war gar nicht mehr von der Seite seines bayerischen Kollegen weg zu kriegen, die waren fast wie siamesische Zwillinge. Sogar in den Vorbesprechungen der A-Länder (die SPD-regierten Länder, d. Red.) wurde stundenlang mit dem Bremer Vertreter gestritten, weil der die bayerischen Positionen vertreten hat.

Können Sie Beispiele nennen?

Das war bei allen Fragen so. Bremen hat da einen hundertprozentigen Wettbewerbsföderalismus vertreten, auch übrigens in den Wissenschafts- und Bildungsfragen. Die Haltung der Bayern und der Bremer war: Je mehr die Länder selbst ohne Bundeshilfe machen können, umso besser. Egal wie ihre Finanzkraft ist. Das finde ich schon ziemlich abstrus, wenn ich sehe, in welcher Situation Bremen ist.

Haben die Bayern das den Bremern gedankt?

Das kann ich nicht beurteilen. Vielleicht haben die Bremer gedacht, dass sie einen Bündnispartner an sich binden könnten, wenn es später um die Finanzen geht. Aber das wäre naiv. Länder wie Bayern haben in dieser Föderalismuskommission, auch wenn es nicht auf der Tagesordnung stand, immer eingestreut, dass ein Land wie Bremen eigentlich keine Existenzberechtigung mehr hat.

Interview: Klaus Wolschner