: Ende einer teuren Illusion
MUSICAL Nach 15 Jahren verabschiedet sich Bremen von der Idee, Musical-Stadt zu werden: Der regionalwirtschaftliche Nutzen steht in keinem Verhältnis zu den Subventionen
VON KLAUS WOLSCHNER
Gestern hat die Wirtschaftsdeputation einen Schlussstrich gezogen unter die Geschichte des Bremer VEB Musical: Der Vertrag, mit dem die Stadtgemeinde die Immobilie gemietet hat, um selbst als Musical-Veranstalter aufzutreten, soll zum Februar 2011 gekündigt werden. Durchschnittlich 600.000 Euro im Jahr betrug das laufende Defizit in den letzten Jahren. Für das Jahr 2009 ist nur deswegen ein geringerer Betrag zu erwarten, weil das Theater das defizitäre Projekt „Marie Antoinette“ veranstaltete – das Defizit wurde so auf den Theater-Etat verlagert.
Es hatte im Herbst eine Ausschreibung gegeben, in der die Stadt private Interessenten suchte. Die wollten allerdings im ersten Jahr eine Förderung in derselben Größenordnung wie sie die Stadt derzeit leistet – und damit das Risiko ihres Geschäfts bei der Stadt absichern. Die „fiskalischen Effekte“ durch das Musical-Theater liegen derweil nach Schätzungen des Wirtschaftsressorts bei 250.000 Euro im Jahr – vor dem Länderfinanzausgleich. Nach dem Länderfinanzausgleich bleiben weniger als 100.000 Euro als steuerliche Mehreinnahme.
Mit dieser nüchternen Zahl, die das Wirtschaftsressort nur auf drängende Nachfrage der CDU mitteilte, stürzt ein Lügengebäude zusammen, mit dem in Bremen in den 90er Jahren das Musical aus der Taufe gehoben wurde. Der damals verantwortliche Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller hatte das Projekt betrieben. Die „Ampel-Koalition“ zwischen SPD, Grünen und FDP war gerade ein Jahr zerbrochen, da spendierte die neue große Koalition von SPD und CDU im Februar 1997 eine „Verpflichtungsermächtigung“, nach der bis zum Jahre 2017 insgesamt 34 Millionen DM Risiko der Musicals-Betreiber staatlich verbürgt werden sollten. Ein Musical sei „ein wesentlicher Baustein des Tourismus-Konzeptes“, erklärte damals Haller, 500 Arbeitsplätze würden allein in Bremen entstehen, der „regionalwirtschaftliche Effekt“ würde 4,5 Millionen DM an Steuermehreinnahmen betragen. Das wirtschaftliche Risiko, schwadronierte der verantwortliche Senator Hartmut Perschau (CDU), liege „beim Veranstalter“. Das staatliche Risiko sollte auf 1,7 Millionen DM pro Jahr begrenzt sein, beschlossen die Politiker – scheinbar ein gutes Geschäft. Ralf Fücks, der Grüne, stimmte damals schon dagegen, weil für ihn erkennbar war, dass die vorgeschobenen privaten Unternehmer ihr Risiko beim Staat abladen wollten.
Nach der Premiere von „Jekyll & Hyde“ wurde bald deutlich, dass das Haller’sche Zahlenwerk Unsinn war und dass er sogar den Politikern weitere Risiken verheimlicht hatte. Die Stadt muss nach den von Haller zu verantwortenden Verträgen bis 2017 jährlich 2,2 Millionen Euro für den Umbau des Musicaltheaters abbezahlen.Trotz einer staatlichen Finanzhilfe von 18 Millionen DM für die Jahre 1999 bis 2001 scheiterte das Musical „Jekyll & Hyde“. Nach einem kurzen Zwischenspiel der KPS-Gruppe mit „Hair“ übernahm dann die Stadt selbst den Theaterbetrieb.
Im Weser Report durfte Haller am vergangenen Wochenende wieder einmal seine These verbreiten, dass die Förderung des Veranstaltungswesens die Einnahmen des Staates erhöhen würde. Der bedauernswerte SPD-Wirtschaftssenator Ralf Nagel habe heute aber nicht mehr das nötige Geld dafür.
Zu den Subventionsprojekten, mit denen Haller damals Bremen voranbringen wollte, gehörte auch der Space -Park und die Galopprennbahn, bei der Haller die Stadt zu laufender Subventionierung verpflichtete und deren Vertragsgeflecht Nagel aufkündigen musste.
Verräterisch ist die Sprache eines Schreibens vom 4. 3. 1997, in dem es schon um zusätzliche Zuschüsse fürs Musical ging: „Ich bin bereit“, formulierte Haller, „die dann notwendigen Ausfallzahlungen [...] zur Verfügung zu stellen“ – aus dem Haushalt des Wirtschaftsressorts. Auch das sind aber Steuergelder –und in Bremen nur Schulden.