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Archiv-Artikel

Jagdbomber als Amtshilfe

GRUNDGESETZ Das Bundesverfassungsgericht prüft zum zweiten Mal das Luftsicherheitsgesetz – und könnte nun zu anderen Ergebnissen kommen. Kommt der Bundeswehreinsatz im Innern durch die Hintertür?

KARLSRUHE taz | Der Einsatz der Bundeswehr im Innern könnte bald auch ohne Grundgesetzänderung möglich sein. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) prüfte gestern, ob „Amtshilfe“ auch mit militärischen Waffen möglich ist. Der Erste Senat des Gerichts hatte dies zwar 2006 für verfassungswidrig erklärt. Doch jetzt könnte es in Karlsruhe zur Wende kommen. „Wir werden möglicherweise von der Auffassung des Ersten Senats abweichen“, sagte gestern Andreas Voßkuhle, der Vorsitzende des Zweiten Senats.

Konkret geht es um das rot-grüne Luftsicherheitsgesetz, das seit 2005 den Umgang mit potenziell gefährlichen Passagierflugzeugen regelt. Das Gesetz erlaubte der Bundeswehr, von Terroristen entführte Jets notfalls abzuschießen, bevor sie als Großwaffe à la 9/11 benutzt werden. Auf Klage von FDP-Politikern wurde allerdings die Abschussregelung 2006 vom Ersten Senat des BVerfG für verfassungswidrig erklärt. Dies verstoße gegen die Menschenwürde, weil dabei auch unschuldige Passagiere zum Abschuss freigegeben werden. Außerdem habe der Bund so ein Gesetz nicht beschließen können, weil das Grundgesetz Amtshilfe mit militärischen Waffen ausschließt.

Bestehen blieb im Luftsicherheitsgesetz aber die Regelung zum Abdrängen von entführten Jets. Dagegen richtet sich eine Klage der Länder Bayern und Hessen. Auch dieser Einsatz der Luftwaffe sei eine unzulässige militärische Amtshilfe, betonte gestern Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU). Das Grundgesetz habe den Einsatz der Bundeswehr im Innern bisher streng begrenzt.

Paradoxerweise haben Bayern und Hessen gar nichts gegen Einsätze der Bundeswehr zum Schutz vor Terror. „Unsere Hubschrauber helfen ja nichts gegen ein entführtes Passagierflugzeug“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die Unionspolitiker wollen dies aber auf dem üblichen Weg per Grundgesetzänderung erreichen. Bisher scheiterte die Verfassungsänderung daran, dass die Union sehr weitgehende Einsätze der Bundeswehr im Innern fordert – die SPD will sich auf ein Minimum beschränken.

Möglicherweise ist die Verfassungsänderung überflüssig, wenn das Verfassungsgericht einfach seine Rechtsprechung ändert. Für die Länderklage ist jetzt nämlich der Zweite Senat in Karlsruhe zuständig, weil es um Föderalismus geht. Und dort prüft man nun, ob die Amtshilfe mit militärischen Mitteln nicht doch zulässig ist. Die federführende Richterin Gertrude Lübbe-Wolff diskutierte gestern bereits über „Schutzlücken“ bei Terrorangriffen an der deutschen Seeküste, bei der auch Amtshilfe der Marine denkbar sei. Das Urteil wird in einigen Monaten fallen.

CHRISTIAN RATH